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HBS Böckler Impuls

Unternehmensmitbestimmung: Aufsichtsräte: Strategiefragen im Fokus

Ausgabe 14/2006

Aufsichtsräte arbeiten unter dem Siegel der Vertraulichkeit. Licht in die praktizierten Mechanismen der Unternehmensmitbestimmung bringt eine Studie. Sie widmet sich den Erfahrungen der Arbeitnehmervertreter in den Kontrollgremien.

Ein Forscherteam des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) befragt im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung Arbeitnehmervertreter aus den Aufsichtsräten der Unternehmen, die dem 76er Mitbestimmungsgesetz unterliegen. Bislang liegen 783 ausgewertete Fragebögen vor, das entspricht einer Rücklaufquote von 24,7 Prozent.

Sie zeigen: Konflikte lösen mitbestimmte Aufsichtsräte meist kooperativ, der konfrontative Weg ist nicht die Regel. Dennoch sagen gut 20 Prozent der Arbeitnehmervertreter,  der Vorsitzende mache zumindest manchmal von seiner Doppelstimme Gebrauch. Der generalisierte Vorwurf, die Anteilseignerseite könne sich faktisch nicht behaupten, obwohl sie den Vorsitz des Gremiums stellt, trifft demzufolge nicht zu. Mit der Doppelstimme ist die Kapitalseite auch bei einem Abstimmungspatt in der Lage, ihre Ziele durchzusetzen. "Erfreulich ist aber, dass dennoch kooperative Wege der Konfliktlösung gesucht werden", sagt dazu Roland Köstler, Experte für Wirtschaftsrecht in der Hans-Böckler-Stiftung. Mitbestimmung führe zu konstruktiver Zusammenarbeit und stärke den sozialen Zusammenhalt in Unternehmen.

Ein Blick auf konkrete Konflikte im Aufsichtsrat zeigt: In den Gremien geht es oft um die Unternehmensstrategie. Viele Aufsichtsräte sind so nicht nur rückblickende Kontrolleure, sondern als Mitglieder eines Beratungsorgans an der vorausschauenden Planung beteiligt. Im mitbestimmten Aufsichtsrat stehen Strategiefragen oben auf der Agenda.

In der Größe der Aufsichtsräte sieht die Mehrheit der Befragten eine Stärke - nicht Schwäche - des Systems. Nur ein Viertel berichtet, dass Aufgaben zunehmend in Ausschüsse verlagert würden. In der Praxis ist das Bedürfnis zur Auslagerung offensichtlich nicht so drängend, wie Kritiker suggerieren. Dies spricht gegen die These, deutsche Aufsichtsräte seien zu groß - und deshalb arbeitsunfähig.

Dass die Mitbestimmung gesetzlich klar geregelt ist, schätzt die große Mehrheit der Befragten. Das dualistische System von Aufsichtsrat und Vorstand mit klarer Aufgaben- und Kompetenzverteilung sehen fast 90 Prozent als besondere Stärke. Die Zusammensetzung der Arbeitnehmerbank beurteilen 80 Prozent positiv: Externe Gewerkschaftsvertreter gelten als wichtig, besonders wegen ihrer Unabhängigkeit.

  • Die meisten Debatten im Aufsichtsrat lassen sich einvernehmlich lösen. Zur Grafik
  • Vier von zehn Arbeitnehmer-Vertreter im Aufsichtsrat hatten bereits Kontroversen zu möglichen Standort-Schließungen zu durchstehen. Zur Grafik

Ulrich Jürgens, Inge Lippert, Frank Gaeth: Kommunikations- und Entscheidungsprozesse im Mitbestimmungssystem, Projekt des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung, Zwischenergebnisse, September 2006.

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