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Ungleichheit: Aufklärung hilft

Ausgabe 05/2024

Kinder mit Migrationshintergrund sind schon früh benachteiligt. Wenn dies mehr Menschen in Deutschland bewusst wäre, würde es mehr Unterstützung geben.

Türkischstämmigen Kindern wird viel seltener frühkindliche Bildung zuteil als deutschen Kindern ohne Migrationshintergrund. Eltern mit türkischen Namen bekommen seltener eine Antwort auf Anfragen zu einem Kitaplatz als deutsche. Allerdings: Dem Großteil der Bevölkerung ist das Ausmaß der Bildungsungleichheit beziehungsweise der Diskriminierung in dieser frühen, aber entscheidenden Lebensphase nicht bewusst. Nur ein Teil der Bevölkerung befürwortet spezielle Förderprogramme für Kinder von Migrantinnen und Migranten. Was geschieht nun, wenn Menschen zusätzliche Informationen über die Lage der Betroffenen, in diesem Fall der türkischen Kinder, erhalten? Verändern sich ihre politischen Einstellungen? Das hat ein Forscherteam des Ifo Instituts Fürth sowie der Universitäten München, Eichstätt-Ingolstadt, Konstanz und Halle untersucht. Das Ergebnis: Eine Korrektur falscher Wahrnehmungen kann zu einer Annäherung der Standpunkte und damit zu einer weniger polarisierten Debatte über Ungleichheit und Diskriminierung führen. 

Die Erkenntnisse der Forscher beruhen auf der Auswertung einer Befragung von rund 4800 Personen, deren Auswahl repräsentativ für die erwachsene Bevölkerung in Deutschland ist. Dabei sollten die Befragten zunächst schätzen, wie hoch die Betreuungsquote von türkischstämmigen Kindern unter drei Jahren ist – sie beträgt einer Studie zufolge 12 Prozent, im Gegensatz zu 33 Prozent bei deutschen Kindern ohne Migrationshintergrund. Gleichermaßen sollten sie schätzen, wie hoch die Quote unbeantworteter Anfragen nach Betreuungsplätzen ist – sie beträgt 37 Prozent bei türkischen und 29 Prozent bei deutschen Eltern. Den Befragten wurden dabei nur die Werte für deutsche Kinder beziehungsweise Eltern mitgeteilt. Die Antworten weisen eine breite Streuung auf, vor allem die Lücke in Sachen ­Kita-Besuch wurde meist unterschätzt. Im nächsten Schritt bekam jeweils ein Teil der Befragten Informationen über die tatsächlichen Verhältnisse. Anschließend sollten sie angeben, ob sie politische Maßnahmen wie die steuerfinanzierte Förderung von Kitas, die Kinder mit Migrationshintergrund aufnehmen, die Einführung einer zentralen Vergabe von Kitaplätzen auf Gemeindeebene, den staatlichen Ausbau der Kinderbetreuung oder eine Bevorzugung von Migrantenfamilien bei der Vergabe von Betreuungsplätzen unterstützen würden. 

Es zeigt sich: Die zusätzlichen Informationen rauschen an den Befragten nicht spurlos vorbei. Diejenigen, die das Ausmaß der frühkindlichen Bildungsbenachteiligung unterschätzt haben und die dazu korrekte Informationen bekamen, sprechen sich eher für politische Korrekturen aus als diejenigen, die keine Informationen über die wahren Verhältnisse bekommen haben. Auch die Umkehrung gilt: Wer die Benachteiligung stark überschätzt hat, bleibt bei den politischen Forderungen moderater, wenn die eigene Fehleinschätzung durch Fakten korrigiert wird, auch wenn dieser Effekt nicht ganz so stark ausgeprägt ist. „Information führt in diesem Setting zu stärker übereinstimmenden politischen Präferenzen“, so die Forscher. 

Ein Wermutstropfen: Eine Teilgruppe zeigte sich von den wissenschaftlich fundierten Informationen vollkommen unbeeindruckt, nämlich die Befragten, die angaben, rechte Parteien zu wählen. Ihre Unterstützung für die Politikmaßnahmen sank sogar, nachdem sie Informationen dazu bekommen hatten.

Henning Hermes, Philipp Lergetporer, Fabian Mierisch, Guido Schwerdt, Simon Wiederhold: Does information about inequality and discrimination in early child care affect policy preferences?, IWH Discussion Paper Nr. 2/2024, Januar 2024

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