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HBS Böckler Impuls

Kündigungsschutz: Auch Dänemark schützt Beschäftigte

Ausgabe 20/2006

Die Ausgestaltung des Kündigungsschutzrechts hat keinen unmittelbaren Einfluss auf das Einstellungsverhalten von Unternehmen. Das zeigen empirische Erhebungen. Auch Dänemark taugt nicht als Gegenbeispiel für Kritik am deutschen Kündigungsschutz.

In ihrem jüngsten "Employment Outlook" analysiert die OECD den Zusammenhang zwischen Arbeitslosenquoten und verschiedenen institutionellen Regelungen. Danach gibt es keinen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen den jeweiligen nationalen Bestimmungen zum Kündigungsschutz und dem Ausmaß der Unterbeschäftigung.

Auch in Dänemark lässt sich der starke Rückgang der Arbeitslosigkeit während der 90er-Jahre nicht mit dem Niveau des Kündigungsschutzes erklären. Denn heute gelten dort dieselben Regelungen wie im Jahr 1993, als die Arbeitslosenquote noch bei 10,2 Prozent lag, zeigt eine wissenschaftliche Recherche des WSI. Zudem ist die Absicherung gegen Kündigungen in Dänemark zwar schwächer als in Deutschland, aber dennoch stärker, als manche Vergleichsstudien ausweisen. Der Grund: Es gibt nur relativ wenige gesetzliche Bestimmungen, doch bei immerhin 60 bis 70 Prozent der dänischen Beschäftigten regeln Tarifverträge den Kündigungsschutz. "Arbeitgeber dürfen auch in Dänemark nur kündigen, wenn dies sachlich begründet ist", so das WSI. Der Rückgang der Arbeitslosenzahlen liege hauptsächlich in der positiven wirtschaftlichen Entwicklung der Skandinavier begründet.

Für Deutschland ergeben empirische Erhebungen keinen Einfluss des Kündigungsschutzes auf Einstellungen oder notwendige Entlassungen: Arbeitgeber lassen sich weder massenhaft von erforderlichen Kündigungen abhalten, noch in ihrer Entscheidung beeinflussen, Beschäftigte einzustellen - egal, "ob das Kündigungsschutzgesetz für sie gilt und wie rigide oder locker es gestaltet ist", schreiben die Arbeitsrecht-Expertinnen des WSI, Professorin Heide Pfarr und Nadine Zeibig. Zwar zeigte eine Untersuchung der OECD im Jahr 2004, dass in Deutschland seltener und später gekündigt wird als in anderen Ländern. "Allerdings ist zu fragen, ob dies nur ein Ergebnis des geschriebenen Gesetzes ist, oder nicht vielmehr auch Auswirkung einer gewachsenen Kultur, die das beliebige oder auch nur schnelle ‚Feuern' als unangemessen, nicht aber unbedingt als vom Recht verboten begreift", geben die Autorinnen zu Bedenken.

Doch auch die WSI-Expertinnen halten das geltende Recht für ungerecht, denn es gilt nicht für alle Arbeitnehmer in gleichem Maße. In den Genuss des deutschen Kündigungsschutzgesetzes kann in der Regel nur kommen, wer einen unbefristeten Arbeitsvertrag in einem Betrieb mit mehr als zehn Beschäftigten hat. Rund ein Viertel aller Arbeitnehmer bleibt außen vor. Hinzu kommen noch jene, die ein befristetes Arbeitsverhältnis haben.

Und selbst bei denen, für die das Gesetz gilt, geht es nicht gerecht zu: Baut ein Betrieb mit Betriebsrat Arbeitsplätze ab, so gilt unter Umständen ein Sozialplan, bei dem in der Regel Abfindungen an die betriebsbedingt Gekündigten gezahlt werden. Betrifft eine Kündigung hingegen einen einzelnen Arbeitnehmer oder gibt es keinen Betriebsrat, sieht das Gesetz eine solche Kompensation nicht vor. Den Ausschlag geben also häufig "die zufälligen Gegebenheiten, die vom einzelnen Beschäftigten gar nicht oder nur wenig beeinflusst werden können", urteilt das WSI.

Im gesetzlichen Regelfall sind Abfindungen nicht vorgesehen, denn das Kündigungsschutzrecht besagt, dass eine ungerechtfertigte Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet. Kritiker des deutschen Kündigungsschutzes argumentieren nun, dass dieser dennoch zu einem Geschacher um Abfindungen verkommen sei. Denn wer vor Gericht gegen eine Kündigung klagt, wolle eine Abfindung bekommen - und nicht seinen Arbeitsplatz erhalten. "Richtig ist, dass nur in Ausnahmefällen die Erhebung einer Kündigungsschutzklage dazu führt, dass ein Gekündigter dauerhaft seinen Arbeitsplatz behält", stellen die Arbeitsrechtlerinnen des WSI fest.

Die Verbreitung von Abfindungen werde aber stark übertrieben. Zwar erhält rund die Hälfte der Klagenden eine Abfindung. Allerdings klagen nur 15 Prozent der Gekündigten; alle anderen nehmen den Jobverlust klaglos hin. Die weit überwiegende Mehrheit der Beendigungen von Arbeitsverhältnissen verläuft damit konfliktfrei. Das würde sich nach Analyse der Wissenschaftlerinnen aber höchstwahrscheinlich ändern, wenn immer wieder diskutierte Abfindungsvorschläge Wirklichkeit würden. "Es ist ein Unterschied, ob man einen Arbeitsplatz aufzugeben bereit ist, der nur gegen den Widerstand des Arbeitgebers fortgesetzt werden könnte, oder ob man auf Geld verzichtet."

  • Gut jeder fünfte Beschäftigte meldete sich 2004 arbeitslos, etwa ebenso viele fanden eine Stelle. Zur Grafik

Heide Pfarr, Nadine Zeibig: Pro und Contra Abfindungsrecht bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen,
in: Claus Schäfer, Hartmut Seifert (Hrsg.): Kein bisschen leise: 60 Jahre WSI, VSA-Verlag, Hamburg, November 2006
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Wissenschaftliche Recherche des WSI
Dänemark: Kein Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Kündigungsschutz
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