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HBS Böckler Impuls

Arbeitslosengeld II: Arbeit bringt mehr als Hartz IV (Korrigierte Version)

Ausgabe 11/2006

ALG II verstößt nicht gegen das Lohnabstandsgebot. Selbst eine vierköpfige Familie kommt mit einem anrechenbaren Nettoarbeitseinkommen von etwas mehr als 1.000 Euro über ALG-II-Niveau. Das zeigt ein Arbeitspapier des WSI.

Für die mit 58 Prozent größte Gruppe unter den Bedarfsgemeinschaften gilt: Alleinlebende Langzeitarbeitslose stünden bereits mit einem Nettoeinkommen von weniger als 700 Euro besser da als mit ALG II. Aber auch bei Familien sind die Geldleistungen der Arbeitsagenturen nicht so hoch, dass es vorteilhaft wäre, einen angebotenen Job auszuschlagen. Beispiel: Ein verheirateter Langzeitarbeitsloser, dessen nicht erwerbstätige Ehefrau und zwei Kinder. Unterstellt man durchschnittliche Miet- und Heizkosten für Westdeutschland, ergibt sich insgesamt ein maximaler Bedarfssatz von 1.597 Euro. Daraus lässt sich aber nicht schließen, dass der Familienvater mehr als 1.597 Euro netto verdienen müsste, um über ALG-II-Niveau zu kommen, so die WSI-Forscher. Denn auch Erwerbstätige bekommen Familienleistungen:

Nimmt der Vater einen Job an, hat er grundsätzlich Anspruch auf 154 Euro Kindergeld pro Kind und, wenn das Arbeitseinkommen entsprechend niedrig ist, den Kinderzuschlag für gering verdienende Eltern von jeweils 140 Euro. Zusammen macht das 588 Euro. Folge: Die vierköpfige Familie hat bereits dann mehr zum Leben, wenn das anrechenbare Nettoarbeitseinkommen über 1.009 Euro liegt. Dieses Einkommen muss außerdem nicht einer allein erwirtschaften: Würde die Ehefrau auch nur eine geringfügige Beschäftigung finden, müsste der Mann nicht einmal 1.000 Euro netto verdienen.

Tatsächlich beziehen viele Bedarfsgemeinschaften keineswegs die Höchstsätze der Grundsicherung. An vierköpfige Familien zahlte die Arbeitsagentur im Juli 2005 durchschnittlich 919 Euro aus - also deutlich weniger als den Maximalanspruch von knapp 1.600 Euro. Hauptgrund: Viele Bedarfsgemeinschaften leben nicht ausschließlich vom Staat, sondern haben zumindest geringe Erwerbseinkommen.

Eine dramatische Kostensteigerung durch die Hartz-IV-Reform im Vergleich zur alten Regelung sieht das WSI nicht: Die Gesamtausgaben für die Grundsicherung waren laut Bundesregierung 2005 nur um zwei Prozent höher, als sie mit Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe gewesen wären.

  • 57 Prozent der Harzt-IV-Bezieher sind alleinstehend. Zur Grafik

Judith Aust, Silke Bothfeld u.a.: Fakten und Argumente zur Reform des SGB II, WSI-Arbeitspapier, erscheint demnächst

Hartz IV: Trotz Vollzeitjob zu wenig Geld
in: Böckler Impuls 10/2006

Grundsicherung: Zum Leben zu wenig
in: Böckler Impuls 09/2006

Hartz IV: Verteilung von unten nach ganz unten
in: Böckler Impuls 04/2006

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