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HBS Böckler Impuls

Ältere Beschäftigte: Der große Abschied ab 60

Ausgabe 16/2007

Die Erwerbsbeteiligung Älterer nimmt seit dem Ende der Frühverrentungspolitik zu. Zugleich gibt es aber auch eine große stille Reserve an Menschen über 55 ohne Job. Fällt die so genannte 58er-Regelung weg, wird die Arbeitslosenquote deutlich steigen.

Ältere Menschen sind wieder stärker am Arbeitsmarkt vertreten. Vor allem 55- bis 59-Jährige stehen häufiger im Arbeitsleben als noch vor wenigen Jahren. Auch unter den 60- bis 64-Jährigen wächst der Anteil der Erwerbstätigen, zugleich aber kehrt in dieser Altersklasse die Arbeitslosigkeit zurück, die in den 90er-Jahren weitgehend eingedämmt war. Mehr Erwerbstätigkeit und mehr Arbeitslosigkeit - diese beiden Trends beobachten Forscher des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Uni Duisburg-Essen. Beide sind Folgen der Abkehr von der Frühverrentungspolitik, wie Martin Brussig, Matthias Knuth und Sascha Wojtkowski im demnächst erscheinenden Altersübergangs-Report analysieren.* Die Wissenschaftler haben - gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung und dem Forschungsnetzwerk Alterssicherung - anhand von Mikrozensus-Daten die Erwerbsbeteiligung von 50- bis 65-Jährigen für die Jahre 1996 bis 2005 ermittelt.

Größere Erwerbsbeteiligung in kleinen Jobs. Die Erwerbsbeteiligung der Über-50-Jährigen ist zwischen 1996 und 2005 in allen Jahrgängen angestiegen. Ein Befund, der zu einem guten Teil auf mehr Teilzeitarbeit und geringfügige Beschäftigung zurückzuführen sein dürfte, so das IAQ. Aus den Daten des IAQ geht zudem hervor: Der Trend zu einer höheren Erwerbsbeteiligung Älterer setzte deutlich vor 2005 ein - er ist also keine Folge der Hartz-Reformen.

Zugenommen hat in der betrachteten Dekade vor allem die Erwerbsbeteiligung von Frauen: Vor elf Jahren arbeiteten nur knapp 60 Prozent der 50-jährigen Frauen - vor zwei Jahren waren es bereits 70 Prozent. Unter den 60-jährigen Frauen hat sich der Anteil auf etwa 30 Prozent verdoppelt. Weil die Gesamtquote der Männer leicht zurückging, kam es zu einer Annäherung der Geschlechter. Allerdings ist der Anteil der Männer ab 61 in Arbeit gestiegen, eine Reaktion auf die Einführung der Rentenabschläge, so das IAQ. Auch West und Ost haben sich aufeinander zu bewegt. "Die mittlerweile vollzogene Angleichung von Ost und West ist bemerkenswert", sagt Martin Brussig. Der einzige nennenswerte Unterschied besteht in der höheren Erwerbslosigkeit in den neuen Ländern. Selbst die Erwerbsbeteiligung älterer Frauen ist im Westen ebenso hoch wie im Osten, ab 60 sogar höher.

Trotz positiver Entwicklung haben Ältere immer noch Probleme am Arbeitsmarkt: Im mittleren Lebensalter gehen in Deutschland noch drei von vier Personen arbeiten. Ab 50 sinkt die Erwerbsbeteiligung langsam und der Anteil der Arbeitslosen wächst. Der erste große Abschied aus dem Arbeitsleben setzt mit dem 60. Geburtstag ein, wie die Untersuchung des IAQ zeigt: Mehr als die Hälfte der 59-Jährigen hat einen Job, aber nur noch rund 40 Prozent der 60-Jährigen. Diese Klippe besteht auch nach dem Ende der Frühverrentung weiter, ist aber etwas flacher geworden.

In den nächsten Lebensjahren schwindet die Erwerbsbeteiligung rasch, gerade einmal jeder zehnte 64-Jährige geht einem Beruf nach. Sieben von zehn Menschen verabschieden sich schon vor dem gesetzlichen Zugangsalter von derzeit 65 Jahren in Rente.

Die stille Reserve. Die Rentenpolitik der vergangenen Jahre zielte darauf ab, der Frühverrentung entgegenzuwirken. So sollen die Abschläge beim vorzeitigen Renteneintritt einen Anreiz zum langen Verbleib im Job geben. Der erleichterte Leistungszugang, die so genannte 58er-Regelung, stammt noch aus der Zeit der Frühverrentungspolitik. Wer 58 ist und arbeitslos, kann Arbeitslosengeld beziehen, ohne dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen zu müssen - er geht nicht in die Arbeitslosenstatistik ein. Immer mehr Menschen haben von dieser Regel Gebrauch gemacht, inzwischen gibt es etwa 580.000 Menschen zwischen 58 und 64 in dieser stillen Reserve. Die 58er-Regel fällt voraussichtlich zum Jahresende weg. Danach, so die Prognose des IAQ, werden sich die Arbeitslosenzahlen Älterer spürbar erhöhen. 

  • Nur wenige arbeiten bis zum regulären Renteneintrittsalter. Zur Grafik

Martin Brussig, Matthias Knuth, Sascha Wojtkowski: Erwerbstätigkeit im Alter: Altersspezifische Veränderungen und historische Entwicklungen in Querschnittsvergleichen, Altersübergangs-Report, erscheint demnächst.

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