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Magazin Mitbestimmung

Zur Sache: Regierung muss bei Frauenquote nachbessern

Ausgabe 09/2014

„Es besteht die Gefahr, dass die Geschlechterquote als weiteres Argumente der Mitbestimmungsgegner missbraucht wird“, sagt Lasse Pütz, der ein Referat für Wirtschaftsrecht in der Hans-Böckler-Stiftung leitet.

Um es klar zu sagen: Das Vorhaben der Großen Koalition, mehr Geschlechtergerechtigkeit durch eine gesetzliche Quotenregelung zu schaffen, ist richtig und wichtig. Mehr Frauen in Führungspositionen – das haben weder freiwillige Selbstverpflichtungen der Unternehmen noch die Empfehlung des Deutschen Corporate Governance Kodex gebracht. So ist nur folgerichtig, dass die Große Koalition sich der Geschlechtergerechtigkeit in Führungspositionen, darunter auch die Aufsichtsräte, annimmt. In den Koalitionsverhandlungen wurde vereinbart, dass Aufsichtsratsgremien von „voll mitbestimmungspflichtigen und börsennotierten Unternehmen“ ab 2016 eine Geschlechterquote von mindestens 30 Prozent aufweisen müssen.

Die Gewerkschaften sind sich ihrer Verantwortung bewusst, der DGB-Bundesvorstand hat sich in einem Positionspapier ausdrücklich für die gesetzliche Regelung einer Geschlechterquote in Aufsichtsräten ausgesprochen. Umso wichtiger ist ihm eine gelungene Ausgestaltung eines solchen Gesetzes. 

Soweit bekannt, haben die jetzt vorliegenden Vorschläge der Ministerien auch Schwächen, die einer Diskussion bedürfen. So ist die im Koalitionsvertrag gemachte Einschränkung auf „voll mitbestimmte“ Unternehmen (mit 76er- und Montanmitbestimmung) bei gleichzeitiger Börsennotierung nicht nachvollziehbar. Aktuell würde die Frauenquote demnach gerade einmal für 101 Unternehmen gelten. Die Fokussierung auf „voll mitbestimmte“ Unternehmen ist insofern bedenklich, weil die Gefahr besteht, dass die Geschlechterquote als weiteres Argument der Mitbestimmungsgegner missbraucht wird. Diese Gefahr wird noch dadurch verstärkt, dass für die Europäische Aktiengesellschaft (SE) keine verbindliche Quote gelten soll. Zukünftig könnte die SE sowohl zur Vermeidung der Mitbestimmung als auch zur Vermeidung der „Frauenquote“ genutzt werden. 

Ein weiterer Kritikpunkt ist: Die bisher bekannten Quotierungsüberlegungen lassen den Umstand außer Acht, dass sich die Arbeitnehmervertreterinnen zum Großteil aus der Belegschaft rekrutieren, während die Anteilseignerseite aus einem viel größeren – weltweiten – Personalpool schöpfen kann, was zu einer Ungleichbehandlung führt. Arbeitnehmervertreterinnen und Arbeitnehmervertreter können aufgrund gesetzlicher Vorschriften (außer bei den Gewerkschaftsvertretern) nur Beschäftigte des Unternehmens oder des Konzerns sein. In Branchen wie dem Handel oder in der Stahlindustrie kann das Verhältnis von Männern zu Frauen in der Belegschaft sehr unterschiedlich sein. Einer möglichen Ungleichbehandlung könnte der Gesetzgeber begegnen, wenn er das zahlenmäßige Verhältnis von Frauen zu Männern in der Belegschaft bei den betrieblichen Aufsichtsratsmitgliedern berücksichtigen würde.

Besonders wichtig ist, dass die demokratische Legitimation der Arbeitnehmervertreter bestehen bleibt. Jede Quotenregelung führt auch dazu, dass sich der Wählerwille nicht immer eins zu eins abbildet. Daher ist Fingerspitzengefühl gefragt. Das Legitimationsband zwischen der Belegschaft, den Wählern und ihren Vertretern im Aufsichtsrat darf nicht durchtrennt werden. 

Im Zuge des Gesetzgebungsprozesses sollte die Chance genutzt werden, an den genannten Punkten nachzubessern. Statt die Quote für voll mitbestimmte und börsennotierte Unternehmen vorzusehen, wäre die Einführung der Frauenquote etwa ab 2000 Arbeitnehmern plausibler – wenn man überhaupt eine Eingrenzung vornehmen will. Die Gleichberechtigung der Geschlechter ist ein gesamtgesellschaftliches Anliegen, das nicht auf eine Mitbestimmungsform im Aufsichtsrat reduziert werden kann. Auch sollte für Unternehmen in der Rechtsform einer SE ebenso die Geschlechterquote gelten. Zwar kann den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat aufgrund des zurzeit geltenden europäischen Rechts dies nicht (verpflichtend) abverlangt werden. Für die Anteilseigner im Aufsichtsorgan einer SE ist die Quote aber unproblematisch machbar. 

Dass auf der Anteilseignerseite ein größerer „Nachholbedarf“ besteht als auf der Arbeitnehmerseite, zeigt einmal mehr die jüngste Auswertung der Hans-Böckler-Stiftung. 

Mehr Informationen

Lasse Pütz/Marion Weckes: Geschlechterquote (pdf)  

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