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HBS Böckler Impuls

Gender: Wer verdient, bestimmt

Ausgabe 03/2014

Das Ehegattensplitting im Steuerrecht und die Bedarfsgemeinschaft im Sozialrecht gehen davon aus, dass Paare Geld unabhängig davon ausgeben, wer es verdient hat. Ein Experiment mit Paaren kann diese These jedoch widerlegen.

Einkommenspooling heißt das Denkmodell, das fast allen Simulationsstudien zu den Auswirkungen von Leistungen der Arbeitsmarkt-, Familien- und Sozialpolitik zugrunde liegt: die Annahme, dass Paare die von ihnen erworbenen Einkünfte als gemeinsames Einkommen betrachten und verwenden. Wer die Partner zu diesem Thema lediglich befragt, erhält nicht unbedingt realistische Antworten, warnen Miriam Beblo und Denis Beninger. Denn: „Ob sie diese hypothetische Frage wahrheitsgemäß oder aber so beantworten, wie sie es für sozial erwünscht halten, hat meist keine Konsequenzen für die Befragten.“

Die beiden Forscher von der Universität Hamburg haben daher in einem Experiment echte Paare tatsächlich entscheiden lassen. Dazu luden sie knapp 100 heterosexuelle Paare aus dem Raum Mannheim im Alter zwischen 20 und 80 Jahren aus allen Bildungs- und Einkommensschichten zu mehreren Aufgabenrunden ein. „Unser direkter Test zeigt, dass die Mehrheit dieser Paare ihre Konsumentscheidungen abhängig vom Empfänger des Einkommens trifft, und widerlegt damit die generalisierende Annahme des Einkommenspoolings“, so Beninger und Beblo.

In einer ersten Aufgabe konnten sich die Paare entscheiden zwischen einer niedrigen Geldsumme, die gleich auf die beiden Partner verteilt, und einer höheren, die ungleich verteilt war. Wenn die These zuträfe, dass den Partnern die Aufteilung des Einkommens egal ist, hätten sie sich immer für die höhere Gesamtsumme entscheiden müssen. Tatsächlich war den Paaren jedoch mehrheitlich Gleichheit wichtiger als Effizienz – sie verzichteten also lieber auf Geld, wenn dafür die Ressourcen gleich aufgeteilt wurden. Dieser Befund sei „mit einem Einkommenspooling nicht vereinbar“, analysieren die beiden Wissenschaftler, schließlich könnten die Partner die höhere Geldsumme nach dem Experiment nach eigenem Belieben wieder umverteilen.

In einer weiteren Aufgabe sollten die Paare gemeinsam entscheiden, wie viel Geld sie für Einkäufe in verschiedenen Geschäften ausgeben wollten. Dabei war das zu verteilende Budget immer gleich, lediglich seine Verteilung auf die beiden Partner variierte. Weniger als die Hälfte der Paare änderte ihre Einkaufswünsche nicht, wenn sich die Geldzuteilung änderte. Bei den anderen hing die Entscheidung davon ab, wem welcher Geldbetrag zur Verfügung stand. „Träfe die Hypothese zu, dass Paare ihr Einkommen poolen, sollten sie stets die gleiche Wahl treffen“, fassen die Forscher die Ergebnisse zusammen. „Tatsächlich macht es doch einen Unterschied, wer das Geld erhält.“


Männerlöhne immer noch deutlich höher

Frauen verdienten in den Jahren 2006 bis 2012 in Deutschland im Durchschnitt deutlich weniger pro Arbeitsstunde als Männer, zeigt das GenderDatenPortal des WSI. Der so genannte Gender Pay Gap betrug in diesem Zeitraum durchgehend zwischen 22 und 23 Prozent und ist damit einer der höchsten in Europa. In den vergangenen Jahren veränderte er sich nur in sehr geringem Maße.

Die durchschnittlichen Brutto-Stundenverdienste (ohne Sonderzahlungen wie zum Beispiel Urlaubsgeld) stiegen in Deutschland zwischen 2006 und 2012 für Frauen wie für Männer fast kontinuierlich an. Dies gilt für Westdeutschland ebenso wie für Ostdeutschland, wo die Stundenlöhne im Vergleich zu Westdeutschland aber immer noch auf einem deutlich niedrigeren Niveau verbleiben.

In den beiden Regionen Deutschlands fällt der Gender Pay Gap unterschiedlich hoch aus: Frauen in Westdeutschland verdienen im Durchschnitt brutto 24 Prozent weniger in der Stunde als ihre männlichen Kollegen.

In Ostdeutschland hingegen kommen Frauen im Durchschnitt nur auf etwa 6 bis 7 Prozent weniger als Männer. Allerdings ist hier in den vergangenen Jahren ein leichter Anstieg des Gender Pay Gaps auf 8 Prozent festzustellen. Trotzdem fällt er damit in Westdeutschland im Jahr 2012 immer noch dreimal höher aus als in Ostdeutschland.

  • In einem Experiment änderte ein Teil der Paare die Einkaufswünsche nicht, wenn sich die Geldzuteilung änderte. Bei den anderen hing die Entscheidung davon ab, wem welcher Geldbetrag zur Verfügung stand. Zur Grafik

Miriam Beblo, Denis Beninger: Wie teilen Paare wirklich? Ergebnisse einer experimentellen Studie zu Geldaufteilung und Geldverwendung, in: Ulrike Spangenberg, Maria Wersig (Hrsg.): Geschlechtergerechtigkeit steuern – Perspektivenwechsel im Steuerrecht, edition sigma, Berlin 2013

WSI-GenderDatenPortal, Themenbereich Entgeltungleichheit

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