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HBS Böckler Impuls

Arbeitswelt: Weiterbildung: Die Strategie fehlt

Ausgabe 03/2017

Fortbildung ist in der digitalen Arbeitswelt so wichtig wie nie. Doch gerade diejenigen, die Weiterbildung am nötigsten hätten, gehen oft leer aus.

In Deutschland besucht rund die Hälfte der Menschen im Erwerbsalter Weiterbildungskurse, hört Vorträge oder nimmt an Onlineschulungen teil. Doch von Weiterbildung profitieren in erster Linie diejenigen, die bereits mit beiden Beinen in der Arbeitswelt stehen, während Geringqualifizierte und Arbeitslose zu wenig gefördert werden. Zu diesem Ergebnis kommen Bildungsexperten in einer Analyse für die Hans-Böckler-Stiftung. Das größte Problem: Seit den Hartz-Reformen haben schnelle und kostengünstige Trainings, die zu einer zügigen Vermittlung führen sollen, Priorität gegenüber umfassenden beruflichen Qualifizierungen erlangt. Von den rund 1,3 Millionen ungelernten Arbeitslosen beginnen jährlich nur knapp 50.000 eine Fortbildung mit dem Ziel, einen beruflichen Abschluss zu erhalten. Grundsätzlich gehen die Teilnehmerzahlen bei den Angeboten der Arbeitsagentur seit Jahren zurück. Die Weiterbildungausgaben für Hartz-IV-Bezieher sanken zwischen 2010 und 2015 um 26 Prozent, obwohl deren Zahl nur um neun Prozent abnahm.

Diese Strategie sei kurzsichtig, mahnen die Experten. Neuere Studien zeigten, dass sich umfangreiche Qualifizierung durchaus auszahlt. Das tut sie zwar nicht von heute auf morgen: Eine im Durchschnitt um etwa ein Fünftel erhöhte Beschäftigungswahrscheinlichkeit lässt sich erst nach einigen Jahren nachweisen. Dennoch sollte die „abschlussbezogene Weiterbildungsförderung“ künftig Vorrang haben, fordern die Autoren.

Auch bei betrieblicher und individueller Weiterbildung, wo es Hunderte Fortbildungsordnungen, keine einheitlichen Standards für Qualitätssicherung, Zertifizierung und Anerkennung von Abschlüssen gibt, sehen sie Reformbedarf. Notwendig seien ein Bundesweiterbildungsgesetz und ein Ausbau der Arbeitslosenversicherung zu einer „Arbeitsversicherung“, die Ansprüche auf Weiterbildung und deren Finanzierung begründet. Erst so werde eine „Gesamtsteuerung und Verzahnung“ des bislang in vieler Hinsicht segmentierten und intransparenten Weiterbildungssystems möglich, wie es sie etwa in Dänemark oder den Niederlanden gebe.

  • Gerade wer Weiterbildung am nötigsten hätte, geht oft leer aus. Zur Grafik

Alexandra Bläsche u.a.: Qualitätsoffensive strukturierte Weiterbildung in Deutschland, Working Paper der Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung Nr. 25, Februar 2017

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