Projektbeschreibung
Kontext
In den vergangenen Jahren sind eine fortschreitende Informatisierung und digitale Transformation der Krankenhäuser zu beobachten. Hier werden Berufsgruppen inzwischen in fast allen Tätigkeiten durch algorithmische Technologien unterstützt, nicht nur bei alltäglichen Routinen im Rahmen der Behandlungsdokumentation, sondern zunehmend auch in Form technologischer Entscheidungsunterstützung. In diesem Kontext fehlen empirisch gesicherte Erkenntnisse zur Einführung und Nutzung von Algorithmen hinsichtlich der sich verändernden, konstitutiven Verschränkung menschlicher und algorithmischer Handlungsmacht sowie dem variierenden Einfluss auf Arbeitssituationen und -abläufe. Entsprechende Kenntnisse sind wichtig, damit Interessenvertretungen einen an Prinzipien guter Arbeit orientierten Beitrag zum Einsatz algorithmischer Technologien leisten können.
Fragestellung
Vor dem Hintergrund der konstitutiven Verschränkung von Sozialem und Materiellem fragte das Projekt, wie sich die Handlungsmacht der Akteure in Kliniken durch Entwicklung und Einsatz algorithmischer, teilweise selbstlernender Anwendungen verändert, und welche relevanten Gestaltungsoptionen diesbezüglich existieren. Beispielhafte Fragen waren: Welche Arbeitsroutinen, Richtlinien und sozialen Normen wurden in die vorhandenen Algorithmen implizit sowie explizit inskribiert? Wie verändern sich infolgedessen wiederum Arbeitsroutinen, Richtlinien und Normen in der alltäglichen Krankenhauspraxis? Wie wirkt es sich aus, dass beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz die Integration des Sozialen (hier in den gesammelten, vergangenheitsbezogenen Trainingsdaten enthalten) in das Materielle (selbstlernender Algorithmus) nur noch teilweise nachvollzogen werden kann?
Untersuchungsmethoden
Die empirische Untersuchung wurde in Europas größtem Universitätsklinikum, der Charité Berlin, im Rahmen von zwei Fallstudien durchgeführt. Fall 1) untersuchte ein Patientenmanagementsystems auf der Intensivstation mit Fokus auf Benutzerfreundlichkeit, Handlungsfähigkeit, Workarounds und partizipatives Technologie-Design. Fall 2) untersuchte den Einsatz eines klinischen Entscheidungsunterstützungssystems in der Radiologie und die Auswirkungen der teilweisen Automatisierung diagnostischer Prozesse auf die Arbeit und wahrgenommene Handlungsmacht von radiologischen Assistentinnen und Assistenten sowie und Radiologinnen und Radiologen. Die Datenerhebung erfolgte durch Analyse der technischen Systeme, Beobachtungen, Fragebogen, sowie Interviews mit unterschiedlichen Berufsgruppen.
Darstellung der Ergebnisse
Die Nachhaltigkeit der Digitalisierung in Krankenhäusern hängt von der sorgfältigen Zuweisung von Ressourcen für die Entwicklung von Technologien ab, die das Wohlbefinden des Personals und die Patientenversorgung verbessern. Diese Technologien sollten unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Nutzer und bestehender Praktiken gestaltet werden, um Arbeitsabläufe positiv zu transformieren. Es ist wichtig, dass die Technologien benutzerfreundlich sind und die vielfältigen Bedürfnisse der Gesundheitsfachkräfte berücksichtigen, um Arbeitsbelastungen nicht zu erhöhen. Nutzerbeteiligung und iteratives Feedback sind entscheidend, um die sozialen Aspekte, die in historischen Trainingsdaten enthalten sind, in die materiellen, selbstlernenden Algorithmen zu integrieren. Dies unterstützt, Lücken zwischen sozialen und materiellen Dimensionen dieser Technologien zu überbrücken. Das Projekt zeigt, dass Bedenken hinsichtlich der Dequalifizierung unter Gesundheitsfachkräften gering sind. Kritik gilt oft Technologien, die die Arbeitsbelastung verstärken. Dies unterstreicht die Bedeutung der Anpassung selbstlernender Anwendungen an bestehende Krankenhauspraktiken und die Handlungsmacht der Akteure.