Forschungsprojekt: Zeitarbeitsfirmen im Wandel zur Beschäftigungsindustrie?

Projektziel

Global führende Zeitarbeitsfirmen haben ihr Geschäftsfeld systematisch ausgeweitet, um sich als umfassende Personaldienstleister für flexibilisierte Arbeit neu zu positionieren. Mit ihren Diversifizierungsstrategien entwickeln sie sich zunehmend vom spezialisierten Anbieter von Leiharbeit zum breit aufgestellten Dienstleister innerhalb einer wachsenden, digitalisierten Beschäftigungsindustrie.

Veröffentlichungen

Pongratz, Hans J., 2023. Die Beschäftigungsindustrie der Zukunft. Szenarien des Wandels der Such- und Vermittlungsprozesse am Arbeitsmarkt, Study 483, Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung, 98 Seiten.

Pongratz, Hans J., Laura Späth und Philipp Wissing, 2023. Human Resource Management, In: Bohn, Rainer; Hirsch-Kreinsen, Hartmut; Pfeiffer, Sabine; Will-Zocholl, Mascha (Hrsg.), Lexikon der Arbeits- und Industriesoziologie, 3. Auflage, Baden-Baden: Nomos, S. 197-200.

Pongratz, Hans J., 2023. Plattformarbeit, In: Bohn, Rainer; Hirsch-Kreinsen, Hartmut; Pfeiffer, Sabine; Will-Zocholl, Mascha (Hrsg.), Lexikon der Arbeits- und Industriesoziologie, 3. Auflage, Baden-Baden: Nomos, S. 300-304.

Cárdenas Tomažič, Ana, 2022. Global Labor Market Intermediaries: The Power of Leading Staffing Firms, Journal of Labor and Society, 25, S. 449-486.

Pongratz, Hans J., 2022. Plattformen auf dem Arbeitsmarkt: Digitalisierung und Diversifizierung in der Beschäftigungsindustrie, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie (KZfSS), 74, S. 133-157.

Pongratz, Hans J., 2022. Matching: Impossible. Digitale Technologien und die Arbeit der Personalrekrutierung, AIS Studien, 15(2), S. 26-43.

Pongratz, Hans J., 2021. Die digitale Beschäftigungsindustrie als global expandierende Branche, WSI Mitteilungen, 74(4), S. 263-273.

Pongratz, Hans J., 2021. Bewerbung als Risiko?. Informationskontrolle auf dem digitalisierten Arbeitsmarkt, WISO Direkt 23, [online] https://www.fes.de/abteilung-wirtschafts-und-sozialpolitik/artikelseite-wiso/bewerbung-als-risiko, zuletzt abgerufen am 17.08.2021Bonn: Friedrich-Ebert-Stiftung , 4 Seiten.

Weitere Informationen

Dieses Projekt gehört zum Forschungsverbund „Die Ökonomie der Zukunft“.
http://www.boeckler.de/de/die-okonomie-der-zukunft-18476.htm

Projektbeschreibung

Kontext

Zeitarbeitsfirmen bieten zunehmend die Vermittlung und Nutzung verschiedenster Formen von Arbeitskraft an: von befristeten Anstellungen und Interim-Management über Leiharbeit und Werkverträge bis hin zu Freelancern und Online-Arbeitenden (Crowdworking). Damit reagieren sie auf den erhöhten Bedarf an qualifizierten Fachkräften und auf Strategien des flexibilisierten Personaleinsatzes durch die Arbeitgeber. Neuartige Prozesse und Strukturen der Vermittlung von Arbeitskraft können unter Einsatz von Verfahren künstlicher Intelligenz flexible Beschäftigung wesentlich erleichtern. Eine solche Verlagerung der Kontrolle über Verfahren der Personalrekrutierung ist von enormer arbeits- und sozialpolitischer Relevanz. Sie kann weitreichende Auswirkungen auf die Personalarbeit in den Kundenunternehmen, die gesellschaftlichen Mitbestimmungsmöglichkeiten und die Vermittlungsaufgaben der Arbeitsagenturen haben.

Fragestellung

Das Projekt erforschte die neuen Unternehmensstrategien der Zeitarbeitsfirmen, ihre treibenden Kräfte sowie Verschiebungen der Machtbeziehungen am Arbeitsmarkt. Die Untersuchungsfragen richteten sich sowohl auf Ziele und Maßnahmen der Firmen als auch auf den Wandel der Diskurse und Leitbilder in der Branche. Auf dieser Grundlage wurden künftige Entwicklungspotenziale der Beschäftigungsindustrie einzuschätzen und die sozialen und ökonomischen Folgen für den deutschen Arbeitsmarkt und seine zentralen Akteure abzuklären versucht. Gegenbewegungen und alternative Entwicklungspfade, z.B. von genossenschaftlichen Organisationen, ließen sich nur in wenigen Fällen finden. Um die gesellschaftspolitische Tragweite dieser Entwicklung angemessen interpretieren zu können, wurden Ergänzungen des begrifflich-analytischen Instrumentariums geprüft, etwa mit Konzeptionen von Intermediären am Arbeitsmarkt („labour market intermediaries“) und der Beschäftigungsindustrie als ökonomischem Feld.

Untersuchungsmethoden

Da es wenig Forschung zu den Unternehmen der Zeitarbeit gibt, wurde ein exploratives Forschungsdesign mit mehreren Runden von Dokumentenanalysen und Experteninterviews gewählt. Das Vorgehen umfasste vier Analyseschwerpunkte: (a) vergleichende Intensivfallstudien der Strategien der beiden in Deutschland und weltweit führenden Zeitarbeitsfirmen, Randstad und Adecco, (b) Kontextanalysen zur globalen Entwicklung unter Einbeziehung relevanter Positionen großer Unternehmensberatungen und Internet-Konzerne, (c) konkurrierende und alternative Geschäftsmodelle von mittelständischen Firmen und Genossenschaften in Deutschland sowie (d) die Folgen für die Personalarbeit und die betriebliche Mitbestimmung in den Kundenunternehmen. Auf dieser empirischen Grundlage und unter Bezugnahme auf Analysekonzepte der „Futures Studies“ wurden mögliche künftige Entwicklungsszenarien erarbeitet.

Darstellung der Ergebnisse

In einer expandierenden Beschäftigungsindustrie versuchen große Zeitarbeitsfirmen mit Diversifizierungsstrategien ihre Marktdominanz zu behaupten. Fallstudien zu den Marktführern Randstad und Adecco zeigen, dass sie als globale Intermediäre am Arbeitsmarkt vor allem ihr Angebot zur Personalrekrutierung über Akquisitionen ausweiten und einen Imagewandel zum umfassenden Personaldienstleister anstreben. Das Marketing-Konzept „Total Talent Management“ belegt exemplarisch das Streben der Branche nach erweiterten Angeboten für den flexibilisierten Arbeitskräfteeinsatz. Mittelständische Zeitarbeitsfirmen versuchen, im kompetitiven Marktumfeld mit Kooperationen und in Verbänden die Kräfte zu bündeln. In Zeiten von Fachkräftemangel wird es für die gesamte Branche schwieriger, Mitarbeiter*innen zu gewinnen und sich gegenüber digitalen Vermittlungsdiensten (Stellenbörsen, Karrierenetzwerken u.a.) zu profilieren. Die große Spannbreite möglicher künftiger Entwicklungspfade zeigen die Szenarien „Institutionenwissen“, „Plattformdaten“ und „Segmentkompetenz“ auf. Sie sind als Anregung für Gewerkschaften und Verbände gedacht, den gesellschaftspolitischen Gestaltungsbedarf in diesem Feld zu klären.

Projektleitung und -bearbeitung

Projektleitung

Prof. Dr. Stephan Lessenich
Ludwig-Maximilians-Universität München Institut für Soziologie

Prof. Dr. Hans J. Pongratz
Ludwig-Maximilians-Universität München Institut für Soziologie

Bearbeitung

Laura Späth
Ludwig-Maximilians-Universität München Institut für Soziologie

Dr. Ana Cárdenas Tomazic
Johann-Wolfgang-Goethe Universität Institut für Sozialforschung

Kontakt

Christina Schildmann
Hans-Böckler-Stiftung
Forschungsförderung

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