Projektbeschreibung
Kontext
Durch Automatisierung, Digitalisierung, Elektrifizierung und Dekarbonisierung steht der Personenverkehr an der Schwelle eines umfassenden Wandels. Dies führt zu Veränderungen in der Wertschöpfung des ÖPNV, die unter anderem durch die digitale Vernetzung von Dienstleistungen als auch durch die Neuorganisation der Verkehrsmittelnutzung hervorgerufen werden. Der Privatsektor ist dabei ein wichtiger Treiber: kommerzielle Fahrdienstvermittler und Internetkonzerne sowie zahlreiche Start-up-Unternehmen arbeiten an neuen Mobilitätslösungen. Doch nicht nur die Akteure ändern sich: Der Transformationsprozess in der Personenbeförderung wird auch durch neue Angebots- und Nachfragefaktoren bestimmt. Daraus ergeben sich verschiedene Typen von Geschäftsmodellen des ÖPNV in Konkurrenz, aber auch in Kooperation mit neuen Anbietern. Die Verteilung von Chancen und Risiken beeinflusst die Standards guter Arbeit und Beschäftigung.
Fragestellung
Die zentrale Frage lautete, welche Akteure und Treiber die Transformation hin zu neuen Wertschöpfungsformen und Geschäftsmodelltypen bewirken: Welche quantitativen und qualitativen Effekte rufen diese Änderungen im ÖPNV hervor? Im Einzelnen wurde danach gefragt, wie neue Mobilitätsdienstleistungen den Wettbewerb hinsichtlich Wertschöpfungsverteilung und Standardsetzung verändern. Welche Folgen hat die veränderte Wertschöpfung auf den deutschen ÖPNV in der Zukunft? Weiterführende Fragen betrafen Empfehlungen für Anbieter und Beschäftigte: Was sollten Governance-Arrangements enthalten, um die sozialökonomische Chancen zu ergreifen und Risiken zu erkennen?
Untersuchungsmethoden
Zur Identifikation von Transformationspfaden diente das Technological-Transition-Modell, auch bekannt als Mehr-Ebenen- bzw. Multi-Level-Perspektive, nach Frank W. Geels. Damit wurde die aktuelle Lage des ÖPNV vor dem Hintergrund seiner bisherigen Transformationsdynamik beschrieben. Die heutigen Wertschöpfungskomponenten des ÖPNV wurden den Elementen des Business-Modells CANVAS nach Alexander Osterwalder und Yves Pigneur zugeordnet. Auf Basis von Web-Recherchen, Online-Befragungen und Interviews wurde eine Typologie von Geschäftsmodellen entwickelt. Drei Zukunftsszenarien beschreiben die Spannbreite möglicher Variationen des ÖPNV-CANVAS sowie Entwicklungspfade der Geschäftsmodelltypen. Den Abschluss bildeten Potenzialanalysen und Governance-Empfehlungen, deren sozialökonomische Chancen- und Risikoverteilung in einem Workshop mit Fachleuten und Stakeholdern diskutiert wurden.
Darstellung der Ergebnisse
Als zentraler Treiber der Wertschöpfungsänderung wurde die Grenzverschiebung zwischen abweichenden Markt- und Regulierungssphären innerhalb bzw. außerhalb des ÖPNV identifiziert. Die zukünftige Entwicklung hängt davon ab, in welche Richtung sie erfolgt: Wird der ÖPNV kommerzieller oder die anderen Mobilitätsdienste gemeinwohlorientierter? Dies ist auch eine betriebswirtschaftliche Systemgrenze, die z. B. die Finanzierung öffentlicher Infrastrukturen betrifft. Allerdings zeigt sich auch, dass der Übergang zwischen Gemeinwohl und Kommerz immer fließender wird, da sich die Handlungslogiken gegenseitig durchdringen. Hingegen tritt der Gegensatz „Konfrontation versus Kooperation“ zwischen heterogenen Mobilitätsanbietern in den Vordergrund. Es besteht daher ein hoher Bedarf an begleitender und vergleichender Forschung zu den Erfolgsbedingungen kollaborativer Angebote. Als wichtige Rahmenakteure sollten die Kommunen einbezogen werden, da sowohl die Konfrontation als auch die Kooperationsformen ortsspezifisch sind. Das Ziel sollte eine integrative, kommunale Verkehrsplanung im Zusammenwirken zwischen öffentlicher Verwaltung, klassischem ÖPNV und neuen Anbietern sein.