Projektbeschreibung
Kontext
Betriebliche Digitalisierungsprozesse tangieren die Interessenlagen der Beschäftigten in unterschiedlicher und ambivalenter Weise. Sie provozieren Konflikte mit Führungskräften und Geschäftsleitungen, aber auch zwischen verschiedenen Beschäftigtengruppen und fordern damit betriebliche Interessenvertretungen in besonderer Weise heraus.
Zugleich erweist sich die Digitalisierung von Arbeit und Betrieb als ein vielfältiger und diffuser Prozess technisch-organisatorischen Wandels. Betriebliche Digitalisierungsprozesse verlaufen ungleichzeitig und uneinheitlich entlang unterschiedlicher Branchen, Betriebs- und Tätigkeitsbereiche, arbeitspolitischer Ausrichtungen sowie nicht zuletzt auch Geschäftsstrategien.
Im Ergebnis zieht dies ein vielfältiges und heterogenes Konfliktgeschehen betrieblicher Digitalisierungsprozesse nach sich, das auszuleuchten und zu bewerten, Ziel des Forschungsvorhabens war.
Fragestellung
Das an der Schnittstelle von Arbeitssoziologie und Arbeitsrecht angesiedelte Forschungsvorhaben fragt danach, in welchen Bereichen und an welchen Gegenständen sich Konflikte um Digitalisierung entzünden und wie diese bearbeitet werden, welche Rolle der rechtlich-institutionelle Rahmen (betriebliche Mitbestimmung, Arbeitsgesetzgebung) bei Konflikten um die betriebliche Digitalisierung spielen und inwiefern sie zur Konfliktmoderation oder -eskalation beitragen, inwiefern und wie das betriebliche Konfliktgeschehen um Digitalisierung systematisiert und übergreifend bewertet werden kann und schließlich welche Schlussfolgerungen daraus für die arbeitsrechtliche Regulierung und die betriebliche Mitbestimmung zu ziehen sind.
Untersuchungsmethoden
Das Forschungsprojekt arbeitete mit qualitativen Methoden der empirischen Sozialforschung. Der empirische Zuschnitt war bewusst breit angelegt. Im Zentrum standen Fallanalysen in Unternehmen verschiedener Industriebranchen (Metall, Chemie, Papierverarbeitung) und der kaufmännischen Dienstleistung (Versicherung, Touristik) sowie in Krankenhäusern und Stadtverwaltungen. Hierzu wurden mehr als 50 themenzentrierte Interviews mit Betriebs-/Personalräten und Führungskräften einschließlich deren fachlichen wie rechtlichen Beratungsumfelds geführt. Zudem wurde anhand der Analyse eines Textkorpus arbeitsgerichtlicher Konfliktfälle sowie durch Gespräche mit Arbeitsrichterinnen und -richtern auch die arbeitsgerichtliche Seite des Konfliktgeschehens um Digitalisierung ausgeleuchtet.
Darstellung der Ergebnisse
Im Ergebnis wurden die Konfliktfälle entlang von fünf Zugriffsweisen der Digitalisierung auf Arbeit systematisiert: Technisierung, Automatisierung, Datifizierung, Virtualisierung und Agilisierung. Jede dieser Zugriffsweisen zieht unterschiedliche interessenpolitische Problemlagen nach sich, weist unterschiedliche regulative Eingriffs- und Blockademöglichkeiten auf und provoziert spezifische Konfliktkonstellationen.
Digitalisierungskonflikte werden weitgehend in den betrieblich bekannten Pfaden der Arbeitsbeziehungen ausgetragen. Ausschlaggebend für die Konfliktintensität sind nicht spezifische Techniklinien oder Anwendungsbereiche der Digitalisierung als vielmehr die betrieblichen Sozialordnungen und die mit dem Technikeinsatz verfolgten Verwertungs- und Kontrollkonzepte.
Die Befunde verweisen auf die Notwendigkeit, dass Betriebsräte die Digitalisierung mit eigenen Gestaltungsperspektiven aktiv begleiten, mahnen zugleich aber zur Zurückhaltung: Ressourcenschwache Betriebsräte sind angesichts der Geschwindigkeit, Quantität und Komplexität der Digitalisierung kapazitätsseitig wie machtpolitisch nicht in der Lage, in eine Gestaltungsrolle hineinzuwachsen.