Projektbeschreibung
Kontext
Die beobachtbaren, aber auch prognostizierten Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt wie z. B. die Erosion des Normalarbeitsverhältnisses und die Ausdifferenzierung von Erwerbsarbeit durch zeitlich reduzierte Beschäftigungsformen machen deutlich, dass Erwerbsbiografien nicht mehr gradlinig sind. Gleichzeitig werden sie vor dem Hintergrund des demografischen Wandels aber auch länger. Arbeit bedeutet Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und nimmt für die einzelnen Menschen mehr als nur den Stellenwert des Bestreitens des eigenen Lebensunterhalts ein. Arbeit ist daher so zu gestalten, dass sie für die Beschäftigten physisch und psychisch bewältigbar ist und bleibt. Dem Erhalt von Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit kommt - unabhängig vom Alter - oberste Priorität zu. Dabei stellen Arbeitszeitsysteme wie Schichtarbeit ein besonders herausforderungsvolles Forschungs- und Handlungsfeld dar.
Fragestellung
Da der Forschungsstand zu gesundheitsgerechter Arbeitszeitgestaltung als lückenhaft zu beschreiben ist und eine Vergleichbarkeit von Forschungsergebnissen aufgrund unterschiedlicher Vorgehensweisen schwierig ist, verfolgt die Studie exemplarisch folgende Fragestellungen: Welche physischen und psychischen Auswirkung der Schichtarbeit (z.B. Störung des individuell optimalen "Schlaffensters") sowie entsprechend notwendige Präventionsmodelle liegen vor/lassen sich ableiten? Welche Wechselwirkungen zwischen Unfallhäufigkeit/Fehlern sind in Abhängigkeit von betrieblichen Arbeitszeitmodellen erkennbar? Welche Wechselwirkungen bestehen zwischen der Arbeitsintensität und der Arbeitszeit? Welche Notwendigkeit/Möglichkeiten alternsgerechter Schichtarbeitsmodelle existieren? Welche geschlechtsspezifischen Unterschiede/Anforderungen an die Gestaltung von Arbeitszeit bestehen? Inwiefern findet Arbeitszeit Berücksichtigung im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung und was folgt daraus?
Untersuchungsmethoden
In fünf Fallstudien sind Daten zu Bedingungsfaktoren und deren subjektive Bewertung durch die Beschäftigten erfasst worden, die sich auf die Grundgrößen der Arbeitszeit beziehen. Grundlegend für die Fallanalysen ist die arbeitsorganisatorische wie subjektorientierte Perspektive. Der Fokus wird auf den vorgefundenen, nebeneinander bestehenden unterschiedlichen Arbeitszeitmodellen sowie deren betriebspolitischer Verankerung und Bewertung liegen. Methodisch werden (je nach Ausgangsbedingungen) nach der Erfassung der Rahmenbedingungen, Interviews mit betrieblichen Praktikern (Arbeitgebervertreter, Betriebsrat) durchgeführt und qualitativ ausgewertet sowie kurze standardisierte schriftliche Befragungen von Schichtarbeitenden vorgenommen (SPSS-Auswertung und Synopse der 5 Betriebe). Die Durchführung der Fallstudien orientiert sich an Kriterien sozialwissenschaftlicher Begleitforschung.
Darstellung der Ergebnisse
In keinem der Betriebe ist bisher eine vollständige, ganzheitliche Gefährdungsbeurteilung unter Berücksichtigung psychischer Belastungen und Belastungen aus der Arbeitszeitgestaltung durchgeführt worden. Es ist bei der Gestaltung der Arbeitszeit keine Lebensphasenorientierung oder eine systematische altersgerechte Gestaltung berücksichtigt worden. Es gibt nirgendwo ein Fehlzeiten- und Unfallreporting, was nach Arbeitszeitkriterien ausgewertet wird. Es gibt nur wenig Akzeptanz bzw. Wahrnehmung arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen durch die Schicht- und Nachtarbeitenden, die im Arbeitszeitgesetz vorgesehen sind. Lediglich in einem Unternehmen wurde von betriebskulturell begründeter hoher Wahrnehmung der Angebote gesprochen. Aber auch dort wird offensichtlich kein verdichtetes Reporting der Gesundheit der Schichtarbeitenden praktiziert. In keinem Unternehmen wird den Nachtarbeitenden eine gesunde Ernährung (eine leichte und warme Mahlzeit) seitens des Arbeitgebers ermöglicht. Keinem ist bekannt, dass arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse eine unterschiedliche Gestaltung der Beleuchtung während der Nachtarbeit bei kurzen und langen Zyklen verlangen.