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HANS 09-2022 Editorial Stefan Berger Service aktuell

Erinnerungskulturen: Gewerkschaften im Gedächtnis der Demokratie

Wir sollten Orte schaffen, die an den Kampf für mehr soziale Demokratie und die Rolle der Gewerkschaften erinnern, meint Stefan Berger.

[25.4.2022]

Welche Erinnerungen an die Durchsetzung sozialer Rechte sind heute noch in der Gesellschaft präsent? Wie steht es um die Verankerung des langen und mühevollen Weges zum Sozialstaat im kollektiven Gedächtnis? Wer erinnert sich noch an den Beitrag der Gewerkschaften zur Entwicklung einer sozialen Demokratie? Diese und andere Fragen standen am Anfang der Arbeit der von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten und von Wolfgang Jäger und mir geleiteten Kommission „Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie“, die zwischen 2018 und 2021 untersucht hat, welchen Stellenwert die Gewerkschaften in der kollektiven Erinnerung der bundesrepublikanischen Gesellschaft einnehmen.  

Dass es etwa auf der von sieben Millionen Touristen jährlich besuchten Route der Industriekultur im Ruhrgebiet keinen Hinweis auf die Bedeutung der Mitbestimmung für die Geschichte des Ruhrgebiets nach 1945 gibt, ist ein Ärgernis, welches geradezu danach ruft, Erinnerungskultur neu zu gestalten – und nur ein Beispiel für viele Möglichkeiten, Orte zu schaffen, die an den Kampf für mehr soziale Demokratie erinnern.

Wie diese Erinnerung aussehen kann, ist auch das Thema des soeben beim transcript-Verlag erschienenen Bands „Gewerkschaften im Gedächtnis der Demokratie. Welche Rolle spielen soziale Kämpfe in der Erinnerungskultur?“. Er stellt die Ergebnisse der dreijährigen Kommissionsarbeit der von der Stiftung auf Anregung des scheidenden DGB-Vorsitzenden Reiner Hoffmann eingesetzten Kommission vor. Der vorliegende Band, der im Sommer auch als Lizenzausgabe der Bundeszentrale für politische Bildung erscheinen wird, bietet vielfältiges Anschauungsmaterial und Anregungen, wie eine moderne und zukunftsgerichtete gewerkschaftliche Erinnerungs- und Geschichtskultur in der Bundesrepublik gestaltet werden kann. 

Das Buch ist ein Plädoyer dafür, Geschichte und Erinnerung als Ressource im Kampf der Gewerkschaften um gesellschaftliche Anerkennung und Mitgliedergewinnung ernst zu nehmen. Wenn Arbeitnehmer:innen erfahren, wie viele soziale Errungenschaften es in der Bundesrepublik ohne die Arbeit der Gewerkschaften nicht geben würde, dann stärkt das ihre Solidarität untereinander und ihre Bereitschaft, sich in den Gewerkschaften zu organisieren und zu engagieren. Eine gezielte Schaffung von konkreten Erinnerungsorten, die an die vielfältigen Kämpfe um soziale Demokratie aktiv erinnern, wäre ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Prof. Dr. Stefan Berger ist Direktor des Instituts für Soziale Bewegungen der Ruhr-Universität Bochum. 

Weitere Informationen

Stefan Berger / Wolfgang Jäger / Ulf Teichmann (Hg.): Gewerkschaften im Gedächtnis der Demokratie - Welche Rolle spielen soziale Kämpfe in der Erinnerungskultur?

Projekt „Erinnerungskulturen der Sozialen Demokratie“

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