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Bettina Bock Stipendien

Preisträger*innen 2021: Bettina M. Bock: Wege zu einer barrierefreien Sprache

Inklusion und Exklusion durch Sprache ist ihr aktuelles Forschungsthema.

Wer erinnert sich nicht an die mahnenden Lehrerworte, die im Schulunterricht immer wieder mit geduldiger Strenge der Klasse entgegenflogen: Antwortet im ganzen Satz! Das ist aber kein schönes Wort! Sprecht gutes Deutsch! Doch was ist das eigentlich: gutes Deutsch? „Lehrkräfte haben manchmal ein sehr enges Verständnis davon, welche Ausdrucksweisen im Unterricht ‚zulässig‘ sind und welche nicht“, sagt die promovierte Germanistin Bettina M. Bock. „Mit dem, was im Alltag als ‚guter‘ Sprachgebrauch gilt, hat das oft wenig zu tun. Und dabei geht es mir nicht um so etwas wie Fachwörter, die natürlich ihre Funktion im Unterricht haben.“ Die Juniorprofessorin an der Universität Köln erforscht, wie solche sprachlichen Normen und Sprachideologien, die nicht nur im Unterricht, sondern auch in Lehrbüchern und Lehrplänen zum Ausdruck kommen, die Partizipation von Lernenden erschweren oder begünstigen können: Inklusion und Exklusion durch Sprache ist ihr aktuelles Forschungsthema.

Bock, geboren 1982 in Leipzig, beschäftigt sich schon länger mit den sprachlichen Barrieren, die der gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit einer Lernbehinderung, aber auch von Menschen aus bildungsbenachteiligten Milieus oder mit einer anderen Muttersprache als Deutsch im Weg stehen. Bock ist überzeugt: „Sprachwissenschaft und Sprachdidaktik können einen essenziellen Beitrag leisten, diese Hürden abzubauen.“ Nach ihrem Studium in Leipzig und Oslo und ihrer Doktorarbeit, die sie an der Universität Halle-Wittenberg einreichte, befasste sie sich intensiv mit „Leichter Sprache“ und erforschte unter anderem in einem vom Bundesarbeitsministerium geförderten Projekt, wie sprachlich und inhaltlich vereinfachte Texte zu mehr Teilhabe und Selbstbestimmung im Arbeitsleben führen können.

Und auch das – von der Leseforschung häufig vernachlässigte – äußere Erscheinungsbild von Texten interessiert die Wissenschaftlerin: Wie kann die Typografie beim Lesen helfen? Wie viele Bilder und andere dekorative Auflockerungen wirken noch motivierend, wie viele lenken ab? „Man sieht an der Praxis der Schulbuchverlage, dass das häufig eher intuitiv gehandhabt wird“, sagt die Wissenschaftlerin. Mit ihrer Arbeit will Bock dazu beitragen, Texte auch visuell so barrierefrei wie möglich zu gestalten. „Bei meinen Themen“, sagt sie, „ist mir der Anwendungsbezug immer wichtig.“

Bock ist gewähltes Mitglied der Jungen Akademie der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Doch sie liebt es nicht nur, sich, wie sie es ausdrückt, „im typischen geisteswissenschaftlichen Modus am Schreibtisch zu vertiefen“. Mindestens ebenso viel Wert legt sie darauf, regelmäßig die kleine akademische Welt zu verlassen und den direkten Austausch mit den Menschen zu suchen, um die es in ihrer Forschung geht. „Von außen kann man die Relevanz oder Nichtrelevanz des eigenen wissenschaftlichen Tuns noch einmal ganz anders prüfen“, sagt Bock. „Wenn ich etwa mit Erwachsenen oder Jugendlichen mit einer geistigen Behinderung über Sprache spreche, wird manche akademische Debatte doch recht schnell relativiert.“

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