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Magazin Mitbestimmung

Von MICHAELA NAMUTH: Wie ein Wirtschaftskrimi

Ausgabe 09/2016

Rezension Was hilft pakistanischen Textilarbeiterinnen? Proteste und juristische Verfahren, lautet die Antwort der Autoren.

Von MICHAELA NAMUTH

Wir leben in der Ära des globalen Kapitalismus, dessen Akteure immer schwerer zu fassen sind – vor allem wenn es um Menschenrechtsverletzungen und andere Schäden geht, die dieser Kapitalismus anrichtet. Gegen wen wenden sich heute gewerkschaftliche Proteste in Deutschland, Podemos-Demonstrationen in Spanien oder die Bewegung der brasilianischen Landlosen? Und, so die zentrale Frage der Autoren: „Wer ist heute überhaupt noch in der Lage zu regulieren, wenn Staaten wie internationale Institutionen zunehmen von Unternehmensinteressen dominiert werden?“ Kurzum: Es geht um dieselben hochaktuellen Fragen, die auch in der Debatte um das umstrittene Handelsabkommen TTIP aufgeworfen werden.

Nach Meinung der beiden Autoren, die das Berliner „European Center for Constitutional and Human Rights“ mitaufgebaut haben, liegt die Antwort im „Zusammenhang zwischen diesen Protesten und juristischen Verfahren gegen Unternehmen“. Ihr zentrales Thema ist dabei der Schutz und die Durchsetzung von Menschen- und Arbeitsrechten und die konkreten Erfahrungen bei ihrer täglichen Arbeit. Ihr Institut vertritt unter anderem pakistanische Textilarbeiterinnen in einer Zivilklage gegen den Discounter KiK und Menschenrechtsbewegungen gegen Multis wie Nestle oder das transnationale Holzunternehmen Danzer Group.

Ein starker Teil des Buches – das sich spannend liest wie ein Wirtschaftskrimi, was es letztendlich ja auch ist – sind die Kapitel über die Entstehung der globalisierten Wirtschaft vor und nach 1945. Mit den sogenannten Bretton-Woods-Institutionen, Weltbank und IWF, wurde der weltweite Kapitalverkehr und Zugang zu den Rohstoffen in den unabhängig werdenden Kolonien durchgesetzt. In den 80er Jahren begannen die Unternehmen, unkontrollierbare Zuliefernetze in Asien und Südamerika aufzubauen. Wie kann man also handeln in diesem neoliberalen Paradigma, wo das Ungleichgewicht zwischen Wirtschafts- und Menschenrechten, zwischen Unternehmensgewinn und Löhnen kontinuierlich wächst?

Die Autoren und ihre Organisation versuchen einerseits bestehende internationale Rechtsnormen zu nutzen und sich andererseits mit lokalen Protestbewegungen und Gewerkschaften zu vernetzen. Letztere seien auch zukünftig „ein Motor im Kampf um Menschrechte im Arbeitsleben“. Manche der zitierten Klagen werden aufgegriffen, andere finden keine rechtliche Instanz, die sich zuständig fühlt. Dennoch ist das juristische Verfahren gegen Unternehmen eine politische Strategie, die den Norden und den Süden der Welt künftig verbinden wird. Es geht in dem Buch also um die wirklich wichtigen Fragen und deshalb sollte es in möglichst viele Sprachen übersetzt werden.

Foto: Karsten Schöne

WEITERE INFORMATIONEN

Wolfgang Kaleck, Miriam Saage-Maaß: Unternehmen vor Gericht. Globale Kämpfe für Menschenrechte. Berlin, Klaus Wagenbach Verlag 2016, 9,90 Euro, 125 Seiten

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