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Stoff für die Uni Magazin Mitbestimmung

Gelesen: Stoff für die Uni

Ausgabe 01/2022

Wer Betriebswirtschaft studiert, lernt kaum etwas über die Mitbestimmung. Ein Buch soll das ändern. Jetzt müssen nur noch die Lehrenden mitziehen. Von Kay Meiners

Es ist kein Problem, in Deutschland einen BWL-Abschluss zu erwerben und ein Unternehmen zu leiten, ohne je etwas von Mitbestimmung gehört zu haben. An den Hochschulen ist das Thema marginalisiert. In den Standardwerken wird es kaum behandelt. Auf fehlendes Lehrmaterial kann sich niemand mehr berufen. Ein Lehrbuch aus dem Bund-Verlag, das modular für die Lehre und das Selbststudium genutzt werden kann, füllt die Lücke.

Das Buch ist das Endprodukt eines Forschungsprojekts, das von der Hans-Böckler-Stiftung gefördert wurde. Für die Auswahl und die didaktische Aufbereitung des Stoffes wurde der Ansatz der Aktionsforschung gewählt, der den Beforschten selbst Feedback- und Mitbestimmungsmöglichkeiten einräumt. Auch wenn die Sprache einfacher, das Design der Grafiken durch den Verlag ansprechender sein könnte,  ist es eine klare Empfehlung.  Es gibt kein vergleichbares Lehrbuch.

Der Stoff wird nach einem einführenden Kapitel zu Arbeitsziehungen in vier Schwerpunkten vermittelt.  Der erste Teil zu Personalmanagement und Mitbestimmung stammt aus der Feder von Carsten Wirth, Professor an der Hochschule Darmstadt. Er stellt die Transaktionskostentheorie und die arbeitspolitische Perspektive einander gegenüber. So wird deutlich, dass ein Betriebsrat in einem kleinen Betrieb im Rahmen der Transaktionskostentheorie niemals sinnvoll erscheint, unter einem arbeitspolitischen Ansatz aber sehr wohl.

Den zweiten Teil über Diversity Management und Mitbestimmung steuert Monika Huesmann bei, Professorin für Organisation, Personal- und Informationsmanagement an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Sie beschreibt die Kräfte, die das Thema befeuern: soziale Bewegungen, Entwicklungen im Recht und neue wirtschaftliche Anforderungen. Die Kritik an dem aus den USA importierten Konzept, die fragt, ob es überhaupt für hiesige Verhältnisse geeignet ist, behandelt sie eher knapp. Der dritte Teil, „Strategische Unternehmensführung und Mitbestimmung“, wird von Markus Helfen, Professor an der FU Berlin, und Nicole Tödling aus Innsbruck abgehandelt. Im Mittelpunkt stehen die Unternehmensmitbestimmung und ihr Bezug zu Unternehmensstrategien und Unternehmensverfassungen. Auch hier stellen die Autoren verschiedene theoretische Ansätze einander gegenüber.  Im vierten Teil, überschrieben  mit „Digitale Transformation“, behandeln Claudia Niewerth, Manfred Wannöffel, Julia Massolle, David Jelkmann, Wissenschaftler von der  Ruhr-Universität Bochum und vom Helex Institut, Entwicklungen, wie „Industrie 4.0“ und „Arbeit 4.0“. 

Die Idee eines Lehrbuches wurde während des Projektes kontrovers diskutiert. Wäre eine Onlineplattform nicht zeitgemäßer? Wäre es nicht besser, die klassischen Lehrbücher zu ergänzen? Was jetzt entstanden ist, ist ein guter Kompromiss. Das Werk  steht ganz oder in Teilen kostenlos zum Download bereit. Jetzt braucht es Menschen, die es in die Hochschule tragen – und die nicht nur Faktenwissen vermitteln, sondern zur Reflexion darüber anregen, was Mitarbeiter als Ressource eigentlich ausmacht. Ein Teilnehmer der Videokonferenz zur Präsentation des Buches brachte es auf den Punkt: „Wie Mitbestimmung funktioniert, das kann man lernen. Was man aus ihr macht, das hat mit dem Menschenbild zu tun.“

Martin Allespach/Max Rudel (Hrsg.): Mitbestimmung – Ein Thema für die Wirtschaftswissenschaften. Studienbriefe zu zentralen Handlungsfeldern der Betriebswirtschaftslehre. Frankfurt am Main, Bund-Verlag 2021. 547 Seiten, 48 Euro

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