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Anja Piel ist DGB-Vorstandsmitglied. Magazin Mitbestimmung

Pro & Contra: Soll die Verdienstgrenze bei Minijobs angehoben werden?

Ausgabe 06/2020

Ja, sagt Karl-Josef Laumann (CDU), Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen. - Nein, sagt Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied.

Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied:
Nein. Eine Anhebung der Minijobgrenze könnte weitere Menschen aus der sozialen Sicherheit herauskatapultieren – bei einer Grenze von 600 Euro eine weitere halbe Million Menschen. Die Corona-Krise trifft besonders prekär Beschäftigte, darunter die rund sieben Millionen Minijobber. 

Der Minijob mit Minilohn führt fast nie in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, sondern stattdessen zu einer Minirente, letzte Ausfahrt Altersarmut. Wer erst einmal in der Minijob-Falle landet, kann ihr schwer wieder entkommen. Bei guter Qualifikation Helfertätigkeiten auszuüben, mehrheitlich bei Minijobs der Fall, bedeutet eine Entwertung der realen Qualifikation und des Berufsabschlusses. 70 Prozent der Minijobber im Haupterwerbsalter von 25 bis 65 Jahren sind weiblich. Trotz steigender Beschäftigungsquoten von Frauen steckt fast jede zweite Frau in der Teilzeit fest – oft, weil in diesem Land die Frauen immer noch den Löwenanteil der unbezahlten und unsichtbaren Arbeit zu Hause leisten. Unter dem fadenscheinigen Vorwand des Bürokratieabbaus wollten Arbeitgeber und Konservative mit der Ausweitung der Minijobs diesen Zustand im Bundesrat wieder auf Dauer zementieren. Gleichzeitig soll der Staat viel Geld in die Hand nehmen, um die Fachkräfte aus dem Ausland zu holen. Das ist der falsche Weg. Bei wachsendem Fachkräftemangel muss endlich das schlummernde Erwerbs­potenzial der Frauen gehoben werden. Sie haben Besseres verdient als die prekären Minijobs.

Karl-Josef Laumann (CDU), Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen:
Ja. Für die Zukunft soll die Verdienstgrenze mit Blick auf die Entwicklung des gesetzlichen Mindestlohns dynamisiert werden. Denn wir wollen, dass künftig auch Minijobber von Steigerungen des Mindestlohns profitieren. Mit einer festen Grenze reduziert sich bei jeder Erhöhung des Mindestlohns die Zahl der Stunden, die im Minijob gearbeitet werden dürfen. Natürlich sollte der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung grundsätzlich der Vorzug gegeben werden und, ja: Dort, wo es möglich ist, sollten Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung umgewandelt werden. Hierfür setzt sich die Landesregierung im Rahmen der Kampagne „Gute Arbeitswelt NRW“ ein.

Wir müssen aber mit Realitäten umgehen. Die Pandemie hat die Minijobber besonders hart getroffen, da sie keinen Anspruch auf Kurzarbeiter- oder Arbeitslosengeld haben. Viele Beschäftigte haben in den letzten Monaten eine wichtige zusätzliche Einnahmequelle verloren. Diesen Menschen muss geholfen werden. Deshalb hat NRW einen Antrag in den Bundesrat eingebracht, der die Anhebung der Verdienstgrenze im Minijob auf 530 Euro fordert. Die Anhebung ermöglicht es Minijobbern, Einkommensverluste der letzten Monate auszugleichen.

Auch unabhängig davon ist eine Anhebung geboten. Die von uns geforderte Erhöhung auf 530 Euro orientiert sich an der Tarif- und Mindestlohnentwicklung. Sie führt nicht zu einer unverhältnismäßigen Ausweitung der geringfügigen Beschäftigung zulasten sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung.

  • Karl-Josef Laumann (CDU), Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen

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