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Daniel Friedrich (li.), Bezirksleiter IG Metall Küste, Nico Fickinger (re.), Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände Nordmetall und AGV NORD Magazin Mitbestimmung

Pro & Contra: Brauchen wir einen Ausbildungsfond?

Ausgabe 03/2023

„Ja“, sagt Daniel Friedrich, Bezirksleiter IG Metall Küste. „Nein“, findet Nico Fickinger, Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände Nordmetall und AGV NORD

Ja.

Wer mehr betriebliche Ausbildung will, kommt um einen Ausbildungsfonds nicht herum. Wir müssen heute handeln, damit uns morgen nicht noch mehr Fachkräfte fehlen. Die Situation ist alarmierend. Die Zahl der betrieblichen Ausbildungsplätze sinkt kontinuierlich. Bundesweit bildet nur noch einer von fünf Betrieben aus. Der Rest entzieht sich der Verantwortung. Es passiert zu wenig, wenn die Unternehmen die Ausbildungsfrage weiter allein regeln.

Die Arbeitgeber sollten aufhören, zu jammern. Wer Fachkräfte will, muss mehr ausbilden und mehr Geld in die Ausbildungsbedingungen investieren. Wir dürfen zum Beispiel junge Menschen mit vermeintlich geringerer Qualifizierung nicht ausgrenzen, sondern müssen sie fördern und ihnen eine Chance geben. Mit dem Ausbildungsfonds werden alle Betriebe in die Pflicht genommen, die Fachkräfte der Zukunft auszubilden.

Alle Betriebe zahlen ein, und Ausbildungsbetriebe werden finanziell unterstützt. Das ist gerecht und solidarisch. Profitieren werden alle: die jungen Menschen, da sie Perspektiven bekommen, Ausbildungsbetriebe, da sie finanziell unterstützt werden, und Nicht-Ausbildungsbetriebe, da mehr Fachkräfte auf den Arbeitsmarkt kommen. Darüber hinaus können aus einem Fonds Ausbildungskampagnen finanziert werden, um mehr junge Menschen für die duale Ausbildung zu begeistern. Oder kleine und mittlere Betriebe, die Ausbildung allein nicht hinbekommen, werden etwa durch ein externes Ausbildungsmanagement und Förderunterricht für Auszubildende unterstützt. Bremen hat es vorgemacht, wir brauchen den Fonds bundesweit.

Daniel Friedrich, Bezirksleiter IG Metall Küste


Nein.

Eine staatliche Zwangsabgabe treibt nur die Arbeitskosten unnötig in die Höhe, bei denen Deutschland ohnehin in der Weltspitze rangiert. Beispiel Bremen: Hier hat der rot-rot-grüne Senat einen „Ausbildungsunterstützungsfonds“ durchgedrückt – und das, obwohl es zum vergangenen Ausbildungsjahr etwa 1000 mehr ausgeschriebene Ausbildungsstellen als gemeldete Bewerber gab. Trotz Jobmessen, Schulbesuchen, Videoclips in sozialen Medien und mehr finden viele Betriebe keinen geeigneten Nachwuchs. Die Zwangsabgabe wird daran nichts ändern.

Arbeitgeber, Gewerkschaften und Politik verfolgen ein gemeinsames Ziel: mehr Ausbildungsverträge. Aber dafür müssen wir an den Ursachen ansetzen: Zu wenig Jugendliche sind bereit und befähigt für eine duale Ausbildung. Wie also motiviert man sie, einen meist dreijährigen Ausbildungsberuf zu erlernen? Am Geld liegt es kaum. Die Metall- und Elektroindustrie zahlt Spitzenvergütungen. Vielleicht aber am mangelnden Ansehen der dualen Berufsausbildung. Daran könnte Politik einiges ändern – und an der Befähigung der Jugendlichen.

Nur wenn die Qualität der schulischen Bildung und die Intensität der beruflichen Orientierung spürbar zunehmen, kann die Industrie den dringend benötigten Nachwuchs ausbilden.  Die Verantwortung liegt also zuallererst bei den Ländern. Das hat man in Berlin erkannt: Im Weiterbildungsgesetz distanziert sich die Bundesregierung von einer branchenübergreifenden Ausbildungsumlage zur Finanzierung der Ausbildungsgarantie. Die Ursachen der Fachkräftekrise behebt sie aber auch nicht.

Nico Fickinger, Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände Nordmetall und AGV NORD

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