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Magazin Mitbestimmung

Politik: Männer zum Jagen tragen

Ausgabe 12/2015

Der Gesetzgeber hat einiges für die bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Leben getan. Der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für unter Dreijährige gehört dazu, auch das Elterngeld plus und die Familienpflegezeit. Doch die Umsetzung stößt auf eine gewisse Hartleibigkeit der Männer. Von Gunnar Hinck

Recht auf befristete Teilzeit: Ende eines Stigmas?

Im Koalitionsvertrag von Union und SPD ist es angekündigt: Beschäftigte, die beispielsweise wegen der Kindererziehung ihre Stundenzahl reduziert haben, „sollen wieder zur früheren Arbeitszeit zurückkehren können“. Außerdem soll das Recht auf befristete Teilzeit verankert werden. Bislang regt sich allerdings nichts im zuständigen Bundesarbeitsministerium. Im nächsten Jahr wolle man den Gesetzentwurf vorlegen, sagt eine Sprecherin. Informell ist zu erfahren, dass der Entwurf wohl erst nach der Sommerpause 2016 kommen werde. 

Mit den Plänen soll die Lage von berufstätigen Müttern verbessert werden, von denen über 70 Prozent auf einer Teilzeitstelle arbeiten. Die meisten von ihnen haben erst nach der Geburt der Kinder die Stundenzahl reduziert – und kommen nicht mehr aus der „Teilzeitfalle“ heraus, obwohl sie gern mehr arbeiten würden. Luke Haywood, der am DIW in Berlin über Sozialpolitik und Arbeitsökonomie forscht, sieht noch andere Vorteile der Pläne: „Sie würden Männern die Angst vor Teilzeit nehmen. Und wenn mehr Männer gerade mit qualifizierten Berufen befristet Teilzeit nehmen, kann Teilzeitarbeit ihr Stigma verlieren“, sagt Haywood. Sie hätte nicht länger das Image, ein Modell für Mütter zu sein, die nur hinzuverdienen wollen.

Familienpflegezeit: Wer kümmert sich?

Seit diesem Jahr haben Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch darauf, sich freistellen zu lassen, um nahe Angehörige zu Hause zu pflegen. Entweder können sie für sechs Monate komplett oder teilweise aussteigen („Pflegezeit“), oder sie können ihre Arbeitszeit bis zu 24 Monate auf 15 Stunden reduzieren („Familienpflegezeit“). Neu ist, dass die Hälfte des Verdienstausfalls durch ein zinsloses staatliches Darlehen ersetzt werden kann – allerdings nur, wenn man mindestens 15 Stunden weiterarbeitet. Beschäftigten in Kleinbetrieben nützen die neuen Regelungen nichts: Den Rechtsanspruch auf Pflegezeit gibt es nur in Betrieben mit mehr als 15 Beschäftigten; und die Familienpflegezeit kann man nur einfordern, wenn der Arbeitgeber mehr als 25 Angestellte beschäftigt.

Dass Beschäftigte im Job bleiben müssen, wenn sie die längere Familienpflegezeit nutzen wollen, hält Christina Klenner, Referatsleiterin Genderforschung beim WSI, für sinnvoll. „Aus Untersuchungen wissen wir, dass der Wunsch groß ist, bei der Pflege von Angehörigen weiter erwerbstätig zu sein“, sagt sie. An einen Erfolg glaubt sie dennoch nicht: „Das Instrument wird kaum genutzt werden.“ Insbesondere bei Männern sieht sie kaum eine Motivation, die Arbeit zu reduzieren. Ein Darlehen bringe wenig, nötig sei eine Regelung wie beim Elterngeld. 

Tatsächlich sind die Zahlen bescheiden: Nach aktuellen Daten des Bundesfamilienministeriums sind bis November nur 285 Darlehensanträge eingegangen. Zwar dürfte die Zahl der Freistellungen höher liegen – darüber gibt es keine Statistik –, dennoch ist die geringe Zahl der Anträge auf ein Darlehen ein Hinweis, wie unattraktiv das Modell ist. Zum Vergleich: In Deutschland werden 1,2 Millionen Pflegebedürftige ausschließlich von ihren Angehörigen versorgt.

Familienarbeitszeit: Gleichberechtigtere Verteilung der Arbeit?

Die Idee wird von Familienministerin Manuela Schwesig immer wieder ins Gespräch gebracht. Noch in dieser Legislaturperiode will sie „ein Modell“ vorstellen – also noch keinen Gesetzentwurf. Bei der Familienarbeitszeit sollen beide Elternteile parallel reduziert Vollzeit arbeiten – etwa 30 Stunden. Der Unterschied zum Vollzeiteinkommen soll durch eine staatliche Leistung teilweise kompensiert werden. Die Idee ist, Väter zu motivieren, weniger zu arbeiten – und Mütter dazu, aufzustocken. Die Prognosen sind ernüchternd: Nur rund drei Prozent würden ein solches Angebot nutzen, ergab eine kürzlich veröffentlichte DIW-Studie, die Hans-Böckler-Stiftung und Friedrich-Ebert-Stiftung in Auftrag gegeben hatten.

Für Thomas Haipeter vom IAQ in Duisburg, der zu Arbeitszeit und Arbeitsorganisation forscht, ist die grundsätzliche Frage, wer im Betrieb die Arbeit macht, wenn ein Beschäftigter die Arbeitszeit reduziert. Aus vergleichbaren Studien über Langzeitkonten wisse man, dass es zumeist zu keinen Neueinstellungen kommt. Ob Modelle wie die Familienarbeitszeit im Unternehmen akzeptiert werden, entscheide sich an den „internen Solidaritätsstrukturen“. „Es hängt stark davon ab, wie Personalabteilungen und Betriebsräte familienfreundliche Modelle kommunizieren“, sagt Haipeter.

ElterngeldPlus: Wer profitiert?

Seit Juli 2015 ist das ElterngeldPlus in Kraft. Es soll Eltern – Müttern in der Regel – erleichtern, über Teilzeit wieder in den Beruf einzusteigen. Das Elterngeld – zwei Drittel des Nettogehalts – kann jetzt über 24 Monate gestreckt werden, dann allerdings halbiert sich die monatliche Summe. Wirklich neu ist, dass man in Teilzeit arbeiten kann und dass Eltern, die während des Elterngeldes arbeiten, bessergestellt werden. Arbeiten beide Elternteile parallel in Teilzeit, wird das Elterngeld als „Bonus“ länger gezahlt. 

„Damit werden Eltern, die sich Arbeit und Familienaufgaben partnerschaftlich aufteilen wollen, besser unterstützt als vorher“, lobt Alexander Nöhring, Geschäftsführer des Zukunftsforums Familie (ZFF) in Berlin, das neue Gesetz. Offene Fragen hingegen sieht er bei der betrieblichen Umsetzung: „Wenn Beschäftigte ihre Arbeitszeit reduzieren, sind gute Systeme nötig, um die Aufgaben im Betrieb umzuverteilen. Das können Neueinstellungen sein oder Kollegen, die das wollen, stocken ihre Arbeitszeit auf. Sicher ist aber auch, dass Kleinbetriebe durch Arbeitszeitreduzierungen an ihre Grenzen stoßen, wenn kein Beschäftigter aufstocken will“, sagt er.

WSI-Forscherin Christina Klenner lobt das ElterngeldPlus, weil es an die Erfolge des alten Elterngeldes anknüpft: Mütter fallen nach der Geburt nicht mehr in ein Einkommensloch – und werden durch die zeitliche Begrenzung motiviert, wieder in den Beruf zurückzukehren. Gleichzeitig kritisiert sie „demotivierende Fehlanreize“ wie das Ehegattensplitting, die weiter existieren. „Gerade für verheiratete Frauen, die gering qualifiziert sind oder in niedrig bezahlten Berufen arbeiten, kann es kurzfristig finanziell attraktiver erscheinen, gar nicht zu arbeiten oder nur einen Minijob anzunehmen“, sagt sie. Für die eigenständige Existenzsicherung sei dies „katastrophal“. Zahlen darüber, wie viele Paare das ElterngeldPlus nutzen, gibt es noch keine.

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