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Die Juristin Antonia Seeland arbeitet im Referat Sozialrecht und Europäisches Arbeits- recht am Hugo Sinzheimer Institut. Magazin Mitbestimmung

Zur Sache: Frauen – kaum wahrgenommene Kämpferinnen für die Mitbestimmung

Ausgabe 02/2024

Antonia Seeland über Gewerkschafterinnen der ersten Stunde und ihren Kampf für gleichen Lohn und gute Arbeitsbedingungen

Frauen spielten bei der Entstehung von Gewerkschaften und Betriebsräten Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Weimarer Republik eine wichtige Rolle. Von der ersten Stunde an forderten sie bessere Arbeitsbedingungen und gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Die Pionierinnen der Arbeiterbewegung bereiteten den Weg für viele Errungenschaften in Sachen Mitbestimmung und Gleichstellung. Doch dieses Erbe ist kaum bekannt und das Material dazu überschaubar.

Immer noch aktuell

Einige dieser Frauen, ihre Lebensgeschichten, Kämpfe und Erfolge stellt der Historiker Uwe Fuhrmann in seinem neuesten Buch vor. Er leistet damit einen wichtigen Beitrag zur gewerkschaftlichen Erinnerungsarbeit. Der unermüdliche Kampf der Frauen von damals gibt Anregungen für die Gegenwart. Auch heute noch klafft eine Lücke beim Entgelt zwischen Männern und Frauen, tragen Frauen noch immer den Löwenanteil der Sorgearbeit.

Das Engagement der Mitbestimmungs-Pionierinnen ist vor allem auch deshalb bemerkenswert, weil sie unter patriarchalen Strukturen für ihre Rechte kämpfen mussten. Die Arbeiterinnen mussten Kinderbetreuung und Haushalt gleichzeitig stemmen – Zeit, sich für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen, war knapp und musste erkämpft werden. Doch es gelang ihnen, und sie kämpften auf verschiedenen Ebenen für ihre Rechte.

Sie gründeten Gewerkschaften, etwa in der Buchdruckindustrie oder unter den Hausangestellten. Das erreichten sie trotz der hohen Fluktuation unter den weiblichen Beschäftigten, die die gewerkschaftliche Organisation und Streiks erschwerte. Sie passten die eigene Praxis an die Lebensbedingungen der Frauen an, indem sie die Vermittlung der Arbeiterinnen übernahmen und so direkten Einfluss auf die Arbeitsbedingungen und Entlohnung nehmen konnten – nur ein Beispiel für den Ideenreichtum und die eindrucksvollen Strategien, die die Frauen in der damaligen Zeit entwickelten. Dadurch gelang es ihnen recht früh, in verschiedenen Branchen Tarifverträge auszuhandeln. Wichtige Akteurinnen waren unter anderem Gertrud Hanna, Paula Thiede oder Luise Kähler.

Auch auf politischer Ebene, etwa als Mitglieder des Reichstags, erkämpften Frauen wie Johanna Tesch oder Johanna Reitze seit 1919 Fortschritte. Der Beginn der Weimarer Republik war geprägt von Debatten um Mitbestimmung und insbesondere das Betriebsrätegesetz. In parlamentarischen Verhandlungen über das Betriebsrätegesetz setzte sich Luise Zietz unermüdlich für eine Stärkung der Rechte der Betriebsräte ein.

Die Pionierinnen riefen Frauen auf, sich als Betriebsrätinnen zu engagieren und ihre Rechte zu nutzen. Das hatte Erfolg. Schon bald gestalteten auch Frauen als Interessenvertretung in den Betrieben die Arbeitsbedingungen und stärkten die Beschäftigtenrechte – und sie tun es bis heute. Zugleich förderten sie den Wissenstransfer zwischen Theorie und Praxis. Exemplarisch hierfür steht Toni Sender; sie war von 1920 bis 1933 Redakteurin der Betriebsrätezeitschrift der wichtigen Metallarbeitergewerkschaft.


Die Juristin Antonia Seeland arbeitet im Referat Sozialrecht und Europäisches Arbeitsrecht am Hugo Sinzheimer Institut.

Lektüre im Netz

Das Buch von Uwe Fuhrmann über die Pionierinnen der Mitbestimmung ist unter dem Titel „Frauen in der Geschichte der Mitbestimmung“ in der HSI-Schriftenreihe erschienen, (Frankfurt am Main, Bund-Verlag, 2023, ISBN 978-3-7663-7344-1, 112 Seiten).

Ein PDF zum kostenlosen Download gibt es auf der Seite des Hugo Sinzheimer Instituts unter: https://www.hugo-sinzheimer-institut.de/faust-detail.htm?sync_id=HBS-008756

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