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Freiraum für die Forschung Magazin Mitbestimmung

Auszeichnung: Freiraum für die Forschung

Ausgabe 04/2020

Energiewende, nachhaltige Trocknungstechnik, sozialer Wandel: Die neuen Preisträger des Maria-Weber-Grant leisten Herausragendes auf ganz unterschiedlichen Gebieten. Von Joachim F. Tornau

Der wissenschaftliche Nachwuchs an deutschen Hochschulen steht unter extremem Druck. Wer nach der Doktorarbeit eine universitäre Laufbahn einschlagen will, muss sich durch Forschungsleistungen, Publikationen und Tagungsvorträge einen Namen machen, muss an der Habilitation arbeiten, zugleich aber auch Lehr- und Verwaltungsaufgaben an der Hochschule erfüllen. Die „Rushhour des akademischen Lebens“ nennt das Silke Tönsjost von der Abteilung Studienförderung der Hans-Böckler-Stiftung. Zeit ist Mangelware.

Mit dem jetzt zum dritten Mal vergebenen Maria-Weber-Grant will die Stiftung herausragendem wissenschaftlichem Nachwuchs mehr Raum für die Forschung verschaffen. Die mit 20.000 Euro pro Semester dotierte Förderung ermöglicht es, für ein bis zwei Semester eine Teilvertretung für die Lehrverpflichtungen der Postdocs zu finanzieren. Benannt nach einer früheren Vize-Vorsitzenden des DGB, die sich in besonderem Maße für Bildungsgerechtigkeit engagierte, ist der Grant dabei nicht auf bestimmte Fachrichtungen beschränkt. „Worauf es uns ankommt“, sagt Tönsjost, „ist das Innovationspotenzial der Forschung.“

Florian Ziel, Juniorprofessor für Umweltökonomik an der Universität Duisburg-Essen und einer von drei Geförderten in diesem Jahr, will mit seiner Arbeit zum Gelingen der Energiewende beitragen. Der Mathematiker und Wirtschaftswissenschaftler entwickelt Modelle, die möglichst präzise vorhersagen sollen, was morgen geschieht: Wie viel Wind- und Sonnenstrom kann um zwölf Uhr produziert werden? Wie groß ist dann der Energieverbrauch? Und welche anderen Kraftwerke sollten sinnvollerweise den Rest liefern? „Vor dem Hintergrund, dass wir immer mehr Wind- und Solarenergie benötigen und Speicherkapazitäten ausbauen, werden solche effizienten Prognosen immer wichtiger“, erklärt Ziel.

Um mehr Energieeffizienz und Nachhaltigkeit geht es auch der Verfahrenstechnikerin Nicole Vorhauer-Huget. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Magdeburg beschäftigt sich mit der energieintensiven Trocknung poröser Materialien. Die schon seit Jahrtausenden zur Haltbarmachung von Lebensmitteln oder zur Herstellung von Baumaterial genutzte Technik möchte Vorhauer-Huget erneuern. Damit zum Beispiel weniger fossile Rohstoffe verbraucht werden müssen, um Ziegelsteine zu brennen. Oder damit Impfstoffe – auch sie werden per Gefriertrocknung konserviert – schneller in großer Menge verfügbar gemacht werden können.

Für sozialen Wandel in Arbeit, Organisation und Wissenschaft interessiert sich die Soziologin Jessica Pflüger. Eines ihrer vielfältigen Forschungsthemen ist dabei die zunehmende Ökonomisierung der Universitäten. „Immer mehr Hochschulen legen Förderprogramme für Lehrangebote auf, die ganz nah an der Drittmittellogik sind“, sagt die Juniorprofessorin für qualitative Methoden der Sozialwissenschaft an der Universität Bochum. „Wer innovativ lehren will, muss sich im Bewerbungswettbewerb durchsetzen.“ Der Druck auf den wissenschaftlichen Nachwuchs wird dadurch nicht geringer.

  • Freiraum für die Forschung
    Hohes Innovationspotential: Jessica Pflüger
  • Freiraum für die Forschung
    Hohes Innovationspotential: Florian Ziel
  • Freiraum für die Forschung
    Hohes Innovationspotential: Nicole Vorhauer-Huget

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