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Magazin Mitbestimmung

: Fit für den Wettbewerb

Ausgabe 04/2006

Die GTZ und ver.di haben ein einheitliches Lohnsystem für tariflich und außertariflich Beschäftigte ausgehandelt. In dem Modell hat Leistung Vorrang vor Seniorität. Der Hintergrund: Das Bundesunternehmen zielt auf zusätzliche Aufträge.



Von Walter Keppler und Paul Soemer
Walter Keppler ist Tarifsekretär der ver.di-Bundesverwaltung und war Verhandlungsführer bei der GTZ-Tarifreform. Paul Soemer ist GTZ-Gruppenleiter für Grundlagen der Personalarbeit und war Projektleiter für die Umsetzung der Tarifreform.


Der Wettbewerb mit privaten Anbietern macht vor öffentlichen Unternehmen nicht halt. Das gilt auch für die Deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH. Das Produkt, das sie verkauft, ist Entwicklungszusammenarbeit. Rund 2500 hoch spezialisierte Mitarbeiter, der größte Teil davon Akademiker, beschäftigen sich mit der Trinkwasserversorgung in Uganda, mit der kommunalen Selbstverwaltung in Tibet oder auch mit der Vorbereitung Litauens auf die EU-Mitgliedschaft. In 67 Ländern unterhält die GTZ eigene Büros, die Zahl der Länder, in denen GTZ-Mitarbeiter unterwegs sind, ist etwa doppelt so hoch.

Der wichtigste Auftraggeber des Bundesunternehmens mit Sitz in Eschborn ist das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Allein darauf will man sich bei der GTZ aber nicht verlassen. Weil die Bundesmittel nicht weiter wachsen, orientiert sich die Geschäftsstrategie des Unternehmens auf zusätzliche Märkte: andere Bundesministerien, internationale Organisationen wie die Weltbank oder die vereinten Nationen, aber auch die Entwicklungs- und Transformationsländer selbst. Solche Aufträge machen bereits 25 Prozent des Umsatzes aus. Sie müssen im internationalen Wettbewerb gegen große internationale Consultingfirmen gewonnen werden.

Das Unternehmen muss in Zukunft schneller auf Marktbedingungen reagieren können, die Mitarbeiter müssen flexibler eingesetzt werden können. Für diesen Wettbewerb sollte eine Tarifreform günstige Bedingungen schaffen. Die bestehenden Tarifwerke, eines für Inlands-, eines für Auslandseinsätze, waren zusehends obsolet geworden. Verschiedene Vergütungsgruppen existierten in den beiden Tarifwerken nebeneinander, Zulagen wurden nach den Zeiten der Zugehörigkeit gezahlt und nicht nach Leistung. Zusätzlich behinderte das komplizierte Nebeneinander zweier Systeme den wichtigen Austausch von Mitarbeitern zwischen In- und Ausland.

Leistung zahlt sich aus - auch bei Tariflöhnen

Ein neues Vergütungssystem soll jetzt wirksame Leistungsanreize setzen und den Führungskräften bessere Steuerungsmöglichkeiten an die Hand geben. Sie sollen in die Lage versetzt werden, ihre Mitarbeiter schnell auf neue Ziele zu orientieren und Teams für neue Projekte zusammenzustellen. Langwierige Arbeitsplatzbewertungen im alten Stil wird es nicht mehr geben - gleichwohl verlangt der Betriebsfrieden ein System, das als gerecht empfunden wird und ausreichend Chancen für die persönliche Entwicklung bietet. Außerdem muss das Unternehmen bei den Einstellungen stärker die Marktkonditionen berücksichtigen.

Vergütungssysteme dieser Art sind bisher überwiegend bei außertariflich Beschäftigten und leitenden Angestellten verbreitet - wer nach Tarif beschäftigt ist, wird davon häufig ausgenommen. Die Wettbewerbssituation vieler öffentlicher Unternehmen und Institutionen wurde bei den Gewerkschaften lange nur unzureichend reflektiert - zunehmend sind diese aber bereit, sich neuen tarifpolitischen Ansätzen zu öffnen.

Die Gewerkschaft ver.di, Tarifpartner der GTZ, unterstützte den Leitgedanken der Zukunftssicherung des Unternehmens, des Erhalts der Arbeitsplätze und der Chance auf Wachstum. Ihr Interesse war es, faire Entgeltkonditionen zu finden, Verfahren zu vereinbaren, die die Interessenslagen der Beschäftigten gut auszubalancieren, und einen Übergang ins neue System zu finden, bei dem dauerhaft zugesicherte Niveaus von Vergütung und Versorgung geschützt bleiben. Dem Unternehmen lag daran, eine kostenneutrale Lösung zu finden und teure Überleitungsregelungen zu vermeiden.

Die Lohnunterschiede werden zunehmen

Bisher existierten bei der GTZ nicht weniger als 27 Vergütungsgruppen - 22 für tariflich und fünf Gruppen für außertariflich Beschäftigte. Mit ihrer Hilfe wurde entschieden, wie viel ein Mitarbeiter verdiente. Dieses komplizierte System wurde seit Beginn 2005 durch sieben Bewertungskategorien, so genannte "Vergütungsbänder", ersetzt - vier tarifliche und drei außertarifliche. Während die außertariflichen Entgelte in einer Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat festgelegt wurden, war die Gewerkschaft Verhandlungspartner für die tarifvertraglichen Regelungen.

Jeder Mitarbeiter wird aufgrund seiner Funktion einem Vergütungsband zugeordnet. Innerhalb dieses Bandes kann sich dann das Einkommen jedes Mitarbeiters steigern, denn die Vergütungsbänder sind weit gedehnt und überlappen sich. Die Zusammenfassung der vielfältigen Funktionen in nur sieben Kategorien entspricht dem sehr flachen Karrieremuster bei der GTZ. So soll der Wechsel zwischen einzelnen Projekten, aber auch zwischen fachlich-konzeptioneller Arbeit, Managementtätigkeit, Beratung, Projektsteuerung und unterstützenden Dienstleistungsprozessen gefördert werden.

Wie hoch der Lohn tatsächlich ist, ob er eher am unteren oder am oberen Rand des Vergütungsbandes angesiedelt ist, wird bei der Einstellung nach Marktbedingungen festgelegt. Später kann der Lohn über die so genannte Performance-Bewertung, die Teil des jährlichen Mitarbeitergespräches ist, gesteigert werden. Dazu stehen den Vorgesetzten fünf Stufen - gekennzeichnet mit den Buchstaben A bis E - zur Verfügung. Gemäß den Stufen steigt jährlich die Grundvergütung.

Die Führungskräfte stimmen sich dabei untereinander ab und sind auf eine ausgewogene Beurteilung verpflichtet, die von den jeweiligen Bereichsleitern gesteuert wird. So bleiben die Gehaltskosten für das Unternehmen im vorgesehenen Rahmen - ein wichtiger Gesichtspunkt, da zunächst alle Mitarbeiter mit der bestehenden, dauerhaft zugesagten Grundvergütung in die Bänder überführt werden. Wie ein Mitarbeiter jährlich eingestuft wird, richtet sich nach der Komplexität der aktuellen Aufgaben, der damit verbundenen Verantwortung, seiner erbrachten Leistung und seinen Kompetenzen.

Durch die jährlichen Steigerungen wird sich die Vergütung kontinuierlicher entwickeln - nicht mehr in Sprüngen, etwa durch die Übernahme einer höherwertigen Position. Wer eine verantwortungsvollere Funktion übernimmt, legt damit zwar die Grundlage für einen höheren Verdienst - dieser realisiert sich aber erst mit der Zeit, wenn auch Arbeitserfolge sichtbar werden. Die Einstiegsvergütungen können niedriger beginnen, aber auch höher enden. Dadurch werden zukünftig stärkere Unterschiede zwischen Mitarbeitern sichtbar werden - ein Spannungsfeld, mit dem das Unternehmen lernen muss umzugehen.

Zielvereinbarungen als Grundlage für variable Vergütung

Zusätzlich zur Performance-Bewertung wurde eine variable Vergütung eingeführt, die davon abhängt, ob die Mitarbeiter bestimmte Ziele erreichen, die sich auf zusätzliche Arbeitsergebnisse beziehen. So können in jedem Jahr bis zu vier neue Ziele in den Blick genommen und honoriert werden, was die Bereitschaft zur Veränderung unterstützt. Führungskräfte sorgen dafür, dass die vereinbarten Ziele einen Mehrwert für das Unternehmen liefern. Hier liegt ein Ansatzpunkt für Produktivitätssteigerung und Innovation. Die variable Vergütung beginnt mit vier Prozent eines Jahresgehalts bei 100 Prozent Zielerreichung; die Zahlung macht also etwa ein halbes Monatsgehalt aus.

Die variable Vergütung kann durch einen Unternehmensfaktor verringert oder gesteigert werden, den die Geschäftsführung abhängig vom Unternehmenserfolg der Periode festlegt. Diese für alle Beschäftigten erreichbare variable Vergütung löst bisherige Zulagen ab, die ausdrücklich auf einen Teil der Mitarbeiterschaft begrenzt waren. Der in der variablen Vergütung wirksame Unternehmensfaktor wird einheitlich für alle Mitarbeitergruppen festgelegt; in guten Zeiten liegt er höher, in schlechten niedriger.

Nicht nur durch eine leistungsgerechte Vergütung, auch durch flexiblere Arbeitszeiten und einen höheren Anteil befristet Beschäftigter sichert das Unternehmen sich ausreichende Spielräume. Zusammen mit der Tarifreform wurde ebenfalls eine neue Jahresarbeitszeitregelung vereinbart, die dem Mitarbeiter die Steuerung seiner Anwesenheit überträgt. In arbeitsintensiven Phasen kann dann mehr und in weniger intensiven Phasen weniger gearbeitet werden. Auch Sabbaticals sind möglich. Teilweise können die Mitarbeiter bis auf vier Jahre befristet beschäftigt werden. Durch weitgehende Versetzungsmöglichkeiten können sie zwischen Inland und Ausland wechseln.

Leistungslohn im Tarif - das ist Neuland für die Gewerkschaft

Orientierung an Marktbedingungen und leistungsorientierte Tarifsysteme findet man sonst nicht unbedingt ganz oben auf der Forderungsliste von Gewerkschaften. Für die GTZ jedoch gelten sehr spezifische Bedingungen, auf die auch die Gewerkschaft eingehen muss: Die Zukunft des Unternehmens und der Arbeitsplätze hängt davon ab, inwieweit es gelingt, zusätzliche Auftraggeber zu finden. 

Die neuen Tarifvereinbarungen sollten mit einer geringeren Regelungstiefe auskommen, ohne dass ihr Schutzcharakter für die Arbeitnehmerseite verloren geht. Eine solche Öffnung verlangt Vertrauen in mehrfacher Hinsicht. Dafür bietet die GTZ als paritätisch mitbestimmtes Unternehmen mit einer Vertretung der Gewerkschaft ver.di im Aufsichtsrat gute Voraussetzungen.

Bei der GTZ hat sich eine ausgeprägte Mitbestimmungskultur entwickelt, die sich auch in den Führungsleitlinien widerspiegelt - so sorgen jährliche Feedbacks an Führungskräfte und regelmäßige Mitarbeiterbefragungen für eine Balance im Führungshandeln. Eine ausgedehnte Personalentwicklung und Fortbildung unterstützt von jeher die Einsätze in Entwicklungsländern und die Übernahme neuer Aufgaben. Die Chancen, die in der persönlichen Entfaltung in der Arbeit liegen, werden von den Beschäftigten geschätzt.

Diese Unternehmenskultur erleichterte die Einführung eines einheitlichen Tarifsystems. Bereits ganz am Anfang trafen sich Fachleute beider Seiten in einer Arbeitsgruppe, die die Aufgabe hatte, die Grundzüge des neuen Tarifwerks zu erarbeiten. Kontroverse Standpunkte konnten so diskutiert werden, bevor sie sich verfestigten. Für die eigentlichen Verhandlungen entstand damit ein im Kern konsensfähiges Modell.

In einem zweiten Schritt wurde eine Task-Force eingerichtet, ein Entscheidungsgremium für Lösungen unterhalb formeller Verhandlungen, das aus je drei Vertretern beider Seiten bestand. Gerade wenn nicht alle Detailregelungen in Tarifverträgen festgeschrieben sind, können ungewollte Effekte bei der Einführung entstehen: unvorhergesehene persönlicher Härten oder Einzelfälle, die ungeregelt sind. Die Bereitschaft, solche Fälle in der Task-Force zu klären, unterstreicht die gemeinsame Verantwortung beider Seiten für die Tarifreform.

Schließlich wurde ein Monitoring der finanziellen Auswirkungen des neuen Systems im Verhandlungsprotokoll festgeschrieben. Es soll garantieren, dass die Entgelte der Mitarbeiter tatsächlich nicht reduziert werden. Gleichzeitig liegt es im Interesse der Arbeitnehmervertretungen, auch vertiefte Informationen über die Wirkungen der Vergütungsreform auf einzelne Mitarbeitergruppen zu erhalten.

So sind in der Folge Weiterentwicklungen oder Korrekturen möglich. Denn das Monitoring liefert harte Daten - z.B. die Entwicklung von Durchschnittsvergütungen oder die Verteilung von Beurteilungsstufen - ebenso wie weiche Faktoren - z.B. Informationen zur Zufriedenheit der Mitarbeiter.

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