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Erfurter Gericht Magazin Mitbestimmung

Recht: Ein Urteil, das Klarheit schafft

Ausgabe 02/2023

Das Bundesarbeitsgericht hat die Mitbestimmung im Aufsichtsrat gestärkt. Von Andreas Molitor

Gut sieben Jahre dauerte der juristische Streit um die Unternehmensmitbestimmung beim Softwarekonzern SAP. Nun hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden: Die Umwandlung eines Unternehmens in eine Europäische Aktiengesellschaft (SE) darf den Einfluss der Gewerkschaften bei der Zusammensetzung des Aufsichtsrats nicht schwächen. Sebastian Sick, Unternehmensrechtler beim Institut für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.) der Hans-Böckler-Stiftung, wertet das Urteil als „Absage an arbeitgebernahe Positionen, die größte Flexibilität der Unternehmen bei Einschränkung der Arbeitnehmerrechte im Zuge einer SE-Gründung annehmen“. Beschäftigte und Gewerkschaften, so Sick, „gehen gestärkt aus dem Verfahren hervor“. Der Jurist begleitete das Verfahren von Beginn an. Bereits im gewerkschaftsfern besetzten Besonderen Verhandlungsgremium bei der SE-Gründung kämpfte er gegen die Abschaffung der Gewerkschaftssitze bei SAP und ebnete der Klage den Weg.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hat Signalwirkung. Mehrere Hundert deutsche Unternehmen, darunter Allianz, BASF oder Porsche, haben sich in der Vergangenheit von einer deutschen Aktiengesellschaft in eine SE umgewandelt. Dort dürfte man die BAG-Entscheidung mit großem Interesse verfolgt haben.

SAP hatte sich im Jahr 2014 in eine SE umgewandelt: Damit wurde die Möglichkeit geschaffen, den Aufsichtsrat von zunächst 18 auf künftig zwölf Mitglieder zu verkleinern. Die Gewerkschaften hätten zwar weiter Kandidatinnen und Kandidaten für den Aufsichtsrat vorschlagen können, aber das Vorschlagsrecht für die Besetzung von mindestens zwei gesicherten Mandaten für Gewerkschaftsvertreter verloren. Dagegen klagten IG Metall und Verdi 2016. Das Verfahren, das vom I.M.U. fachlich begleitet wurde, ging durch alle Instanzen bis zum BAG. Dieses sprach sich 2020 gegen die Schwächung der Mitbestimmung bei der Umwandlung aus und legte die Sache dem Europäischen Gerichtshof vor. Der bestätigte, dass auch nach europäischem Recht die gesicherten Sitze für Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat, wie nach nationalem Recht vorgesehen, nicht beseitigt werden dürfen.

Das BAG kippte jetzt die gesamte in der aktuellen Beteiligungsvereinbarung vorgesehene Regelung zur möglichen Verkleinerung des Aufsichtsrats bei SAP auf zwölf Mitglieder. Nach diesem Erfolg vor Gericht sei nun wichtig, „dass weitere Tendenzen gestoppt werden, Mitbestimmung durch europäisches Recht auszuhebeln“, kommentiert Daniel Hay, der Wissenschaftliche Direktor des I.M.U. „Im Fall SAP ist das für ein Element gelungen. Zur Sicherung der Mitbestimmung muss aber nun der Gesetzgeber aktiv werden.“ Denn die Erosion der Mitbestimmung habe dramatische Ausmaße angenommen.

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