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Magazin Mitbestimmung

: Editorial

Ausgabe 01+02/2006

Unverzichtbare Mitgift


Liebe Leserinnen, liebe Leser,
seitdem die PISA-Studien auf dem Tisch liegen, wissen wir: Deutschland ist bildungsmäßig eine Klassengesellschaft, in der die soziale Herkunft stärker als anderswo über die Lebenschancen junger Menschen entscheidet.

Man spricht vornehm von bildungsfernen Schichten und meint die Unterschicht: Mittlerweile verlässt ein Viertel der nachwachsenden Generation die Schule - ohne im Mindesten mit den notwendigen Kompetenzen ausgestattet zu sein.

Ein Teil hat keinen Hauptschul- und keinen beruflichen Abschluss; ein Teil hat zu geringe Kompetenzen, um in der Arbeitswelt überhaupt den Einstieg zu schaffen. Und ein gut Teil sind so genannte funktionale Analphabeten - sie können zwar lesen, verstehen das Gelesene aber nicht.

"Das ist ein Dauerskandal", sagt Jutta Allmendinger, Soziologin und Direktorin des IAB der Bundesagentur für Arbeit (Interview Seite 16). Denn jedes Jahr addiert sich die Zahl der Bildungsarmen und wird weiterhin bei der "Ausbildungsreife" nachgebessert, statt frühzeitig zu fördern.

Die Frage "Sind unsere Schulen bereit für eine Einwanderungsgesellschaft?" stellt sich die Schulleiterin einer Gelsenkirchener Gesamtschule jeden Tag aufs Neue. Das "Bildungskapital in Arbeitnehmerhand", das der dortige DGB-Vorsitzende fordert, muss erst einmal angespart werden.

Bildung entscheidet darüber, wer was wird in dieser Gesellschaft. Bildung ist der entscheidende Faktor, ob jemand eine absichernde Arbeit haben wird oder nicht. Und doch ist Bildung mehr. Sie ist in modernen Gesellschaften zur notwendigen Ausstattung für gesellschaftliche Integration geworden. Wer diese Mitgift nicht mitbringt, dem droht Ausgrenzung.

Damit hat Bildung eine neue sozialpolitische Dimension gewonnen; für Gewerkschaften, die für eine demokratische und chancengerechte Gesellschaft eintreten, steht sie im Zentrum ihrer Politik. Nicht zufällig setzen sich Gewerkschafter und Betriebsräte dafür ein, dass auch lernschwache Jugendliche eine Ausbildungs-Chance haben.

Packen wir es an. So wie unsere Autorin Annette Jensen. Als sie die Lesepatinnen einer Berliner Grundschule besuchte und sah, wie die Drittklässler Ahmed und Metehan lesen und verstehen lernen, ist auch sie Lesepatin geworden.

Alles Gute und interessante Lektüre wünscht
Cornelia Girndt
Cornelia-Girndt@boeckler.de

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