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ERNESTO KLENGEL ist Referent für Arbeitsrecht am HSI der Hans-Böckler-Stiftung. Magazin Mitbestimmung

Zur Sache: "Dual Studierende genießen die vollen Mitbestimmungsrechte."

Ausgabe 02/2021

Ernesto Klengel über die aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Er arbeitet am Hugo Sinzheimer Institut der Hans-Böckler-Stiftung und ist Arbeitsrechtler.

Das duale Studium ist beliebt. Es erlaubt, Theorie und Praxis zu kombinieren und neben dem Bachelorabschluss bisweilen auch einen Berufsabschluss abzulegen. Nach Angaben des Bundesinstituts für Berufsbildung hat sich die Zahl der dual Studierenden in nur zehn Jahren auf etwa 108 000 mehr als verdoppelt. Da überrascht es, dass noch immer Unsicherheit darüber besteht, welche Rechte dual Studierende während ihrer Praxisausbildung haben.

Die Schwierigkeiten der derzeitigen Rechtslage hat eine aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aufgezeigt. Eine Studentin im dualen Studium war zunächst in die Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) und dann in den Betriebsrat gewählt worden. Als sie vor dem Abschluss des Studiums stand, weigerte sich ihr Arbeitgeber, sie in ein reguläres Arbeitsverhältnis zu übernehmen. Eine Situation, vor der viele Auszubildende stehen, die sich im Betrieb engagieren. Das Betriebsverfassungsgesetz kennt daher einen Anspruch auf Übernahme für Auszubildende, die in ein Gremium gewählt sind. Auf diesen Anspruch hat sich die Klägerin berufen.

Das Bundesarbeitsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Klägerin keine Auszubildende sei. Hintergrund: Das letzte Semester dient auch in Studiengängen, die eine Berufsbildung integrieren, üblicherweise dem Erwerb des Studienabschlusses. Der Berufsabschluss wird schon ein Semester vorher abgelegt. In diesem letzten Abschnitt, so das Bundesarbeitsgericht, sei die Klägerin nicht mehr als Auszubildende anzusehen. Die Konsequenz dieser künstlichen Aufspaltung des Studiengangs: Die Übernahme hätte vor dem Erwerb des Berufsabschlusses, also mindestens sechs Monate vor dem Studienende geltend gemacht werden müssen. Die Studierende wäre dann noch während des laufenden Studiums in eine Vollzeitstelle übernommen worden – ein skurriles Ergebnis.

Was das Gericht aber – nicht ganz widerspruchsfrei – ebenso anerkannt hat: Die Klägerin ist bis zum letzten Tag ihrer Praxisausbildung Mitglied im Betriebsrat geblieben. Mit diesem schmalen Satz in der Urteilsbegründung ist höchstgerichtlich klargestellt worden, dass dual Studierende während der gesamten Dauer ihrer Ausbildung die vollen Rechte der betrieblichen Mitbestimmung genießen. Dies dürfte unabhängig davon gelten, ob überhaupt ein Berufsabschluss erworben wird oder die praktische Ausbildung in das Hochschulstudium integriert ist. Auch sind JAV und Betriebsrat somit für dual Studierende zuständig.

Obwohl nun Rechtssicherheit für einen wichtigen Bereich geschaffen worden ist, können die Widersprüche und Grauzonen in der rechtlichen Situation von dual Studierenden während der Praxisausbildung nicht zufriedenstellen. Manche Arbeitgeber nutzen diesen Spielraum, um in Abrede zu stellen, dass dual Studierende während der Praxisausbildung Arbeitnehmerrechte haben, die auch von Tarifverträgen geregelt werden können. Auch das Streikrecht soll ihnen verwehrt sein. Dabei unterscheidet sich die Situation von dual Studierenden im Betrieb nicht signifikant von der von Auszubildenden, für die die Tarifverträge unstrittig greifen.

In den aktuellen Tarifauseinandersetzungen streiten die Gewerkschaften daher wieder einmal für transparente und klare Arbeits- und Ausbildungsbedingungen im dualen Studium. Erste Tarifverträge sind abgeschlossen worden. Es wird Zeit für eine kohärente gesetzliche Regelung mit der Klarstellung, dass sich selbstverständlich auch dual Studierende gewerkschaftlich organisieren und Tarifverträge erkämpfen können.

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