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Gesundheitswesen: Digitale Helfer in der Pflege

Ausgabe 06/2020

Das Team im Alten- und Pflegezentrum des Main-Kinzig-Kreises arbeitet seit einiger Zeit mit Handys und Tablets am Pflegebett und das spart Zeit. Für den Einsatz digitaler Technik in der Pflege setzte sich der Betriebsrat ein. Dafür wurde er jetzt für den Betriebsrätepreis nominiert. Von Uta von Schrenk

 

Medikamente abklicken, Blutdruck checken, Gewicht eintragen, die Daten der letzten Messung einsehen, Angehörige anrufen – alles direkt am Pflegebett. „Ganz schön praktisch so ein Smartphone“, sagt Maike Wombacher (30), Pflegedienstleitung im Wohnbereich 7 der Alten- und Pflegezentren des Main-Kinzig-Kreises. „Und es passt auch noch so schön in die Kitteltasche.“ Das Team im Bereich 7 ist seit August mit Tablets und Handys ausgestattet, um digital gestützt die Bewohnerinnen und Bewohnern zu versorgen. Das spart Zeit. „Wir müssen nicht mehr für alle Infos ins Stationszimmer rennen, sondern können alles am Bett direkt einsehen und dokumentieren“, sagt Wombacher. Die Sozial- und Gesundheitsmanagerin ist überzeugt: „Das ist die Zukunft der Pflege“.

Dass diese Zukunft ausgerechnet in den zwölf kommunalen Pflegeeinrichtungen des ländlichen Main-Kinzig-Kreises Einzug gehalten hat, ist dem Engagement des Betriebsrats zu verdanken. „Ein Kollege von Verdi fragte uns, ob wir an einem Digitalisierungsprojekt mitarbeiten wollen“, erzählt Betriebsratsvorsitzende Belinda Schmidt. Der Betriebsrat wollte, wandte sich an die Geschäftsführung und die zog mit. So kam 2019 die neue Technologie in die Altenpflege des Main-Kinzig-Kreises. Für dieses Engagement sind Belinda Schmidt und ihre Kolleginnen nun für den Betriebsrätepreis 2020 nominiert worden.

Das Digitalisierungsprojekt „Dialog plus“, das der Betriebsrat mit Verdi angestoßen hat, wertet die Möglichkeiten aus, inwieweit digitale Hilfsmittel die Arbeitsbedingungen in der Altenpflege zusätzlich erleichtern können. Beteiligt sind ein Team des Bildungswerks Verdi, des Instituts für Arbeit und Technik und des Bildungsinstituts im Gesundheitswesen. „Unsere Kolleginnen haben den Probelauf sehr gut aufgenommen“, sagt Belinda Schmidt. Inzwischen läuft noch ein weiteres Projekt vor Ort, berichtet Nils Kornherr, zuständig für die Digitalisierung in den Zentren. Darin geht es um Personalentwicklung und Qualifizierung. Zudem baut der Träger ein voll digitalisiertes Pflegeheim mit 36 Betten, das im Herbst 2021 fertig werden soll.

Der Betriebsrat ist von der Digitalisierung überzeugt. „Wir erhoffen uns bessere Arbeitsbedingungen, damit mehr Zeit für die Bewohner bleibt“, sagt Belinda Schmidt. Das sei in einer Branche, in der die Kolleginnen, zumeist Frauen, an der Belastungsgrenze arbeiten, bitter nötig. Die Alten- und Pflegezentren des Main-Kinzig-Kreises haben 1100 Beschäftigte, davon arbeiten rund 600 in der Pflege. „Zwar sind alle Stellen besetzt, wir haben aber eine sehr hohe Krankheitsrate, die uns das Leben schwer macht“, sagt Belinda Schmidt.

Altenpflege ist ein Knochenjob, die jährlichen Krankheitstage liegen laut Techniker Krankenkasse bundesweit bei 23, im Durchschnitt sind es nur 15. Hohe seelische und körperliche Belastung sowie schlechte Bezahlung machen aus der Berufung einen Mangelberuf. Fachkräfte sind da schwer zu finden, 2019 waren laut Bundesagentur für Arbeit bundesweit 40.000 Stellen vakant. „Wir haben zwar ein eigenes Aus- und Fortbildungsinstitut, können damit aber unseren Bedarf nicht decken“, sagt Belinda Schmidt. In dieser Lage ist jede Form von Entlastung willkommen – auch wenn sie digital daherkommt. Letztlich gehe es darum, den Job leichter zu machen, um wieder mehr Menschen für die Pflege begeistern zu können.

„Corona hat das Bewusstsein für den Nutzen der Digitalisierung insgesamt verstärkt“, hat Kornherr festgestellt. Seit der Pandemie nutzen die Alten- und Pflegezentren zum Beispiel ärztliche Videosprechstunden und Videochats mit Angehörigen für ihre Bewohnerinnen und Bewohner. „Es ist aber noch ein längerer Weg, bis die Technologie komplett im Arbeitsalltag verankert ist“, sagt Kornherr. „Das liegt nicht jedem, wir wollen aber alle Mitarbeiter so schulen, dass diese die Technik optimal nutzen können.“ Die gelernte Altenpflegerin Wombacher ist da zuversichtlich. „Zwar ist die Technik für die Älteren, die nicht mit dem Handy groß geworden sind, eine Herausforderung. Aber das wird schon.“ Zumindest im Wohnbereich 7 schnappen sich alle im Team zu Schichtbeginn ihr Smartphone.

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