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Magazin Mitbestimmung

Hypovereinsbank: Der Druck steigt

Ausgabe 04/2013

Die Bankenkrise und die Fusion mit der italienischen Unicredit Group haben den Alltag der Mitarbeiter der HVB verändert. Vieles ist schlechter geworden. Dem Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Peter König hilft, dass der Eurobetriebsrat oft besser informiert ist als die deutschen Manager. Von Michaela Namuth

"Nur Zuhälter und Prostituierte haben heute ein schlechteres Image als Banker", sagt Peter König. Das meint er natürlich nicht ganz ernst, aber im Grunde kommt sein Sarkasmus der Realität recht nahe. Täglich gehen bei ihm und den anderen Betriebsratskollegen Beschwerden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein, die am Schalter oder in der Investmentberatung arbeiten und von erbosten Kunden beschimpft werden. „Banker sind alle Betrüger“, lautet der Tenor. Der Stress der Mitarbeiter steigt. „Auf der einen Seite machen die Kunden Druck auf die Angestellten mit ihren Beschwerden, auf der anderen Seite die Geschäftsleitung mit Filialschließungen, Outsourcing und immer härteren Bonussystemen“, erklärt König.

Kaum einer kennt sich bei der Hypovereinsbank so gut aus wie er. König ist seit vielen Jahren Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender und Mitglied des Konzernbetriebsrates. König ist aber auch Gründungsmitglied und stellvertretender Vorsitzender des Eurobetriebsrates. Deshalb weiß er, dass die Probleme seiner Leute diesselben sind wie anderswo in Europa. Überall sinken die Erträge der Banken, weil sie immer mehr Kapital brauchen, um sich gegen die eigenen faulen Kredite abzusichern. „Das Thema haben wir in München genauso wie in Mailand und Kiew. Deshalb wird die Arbeit im EBR immer wichtiger“, erklärt er.

EUROPÄISCHER INFORMATIONSFLUSS

Das brennendste Thema, das mehrere Länder und deshalb auch den Eurobetriebsrat des Banken-Multis beschäftigt, ist derzeit die Auslagerung des Bereichs Information und Telekommunikation – eine Sparmaßnahme, die eine Kernkompetenz der Bank trifft. „Wir koordinieren über den EBR die Proteste gegen diese Outsourcing-Projekte“, so König. Im EBR der Unicredit Group ist inzwischen halb Europa vereint. Vor allem Osteuropa ist stark vertreten. Bei den EBR-Treffen im Mailänder Headquarter von Unicredit sitzen unter anderem Italiener, Deutsche, Polen, Österreicher, Türken, Kroaten, Rumänen, Ukrainer und Russen an einem Tisch. Die 44 Mitglieder vertreten mehr als 160 000 Beschäftigte in 22 Ländern. Der EBR besteht seit 2007. Er ist heute der größte in der europäischen Bankenbranche und einer der größten Europas überhaupt.

Mit am Tisch sitzt, nach italienischem Recht, auch das italienische Management. Die Sitzungssprache ist – neben dem offiziellen Italienisch – oft nebulöses Manager-Englisch, das Teilnehmer wie Dolmetscher überfordert. „Das schafft Missverständnisse, also zusätzliche Probleme, die Zeit kosten“, sagt Peter König. Die Zusammenarbeit mit den italienischen Gewerkschaften funktioniert gut. Allerdings flackert das gegenseitige Unverständnis über die Mitbestimmungskultur einerseits und die Konfliktstrategie andererseits in Abständen immer wieder auf. Und König ärgert sich regelmäßig, wenn er einen Rundbrief auf Italienisch bekommt.

Alles in allem findet er aber nicht, dass sich die Position der deutschen Arbeitnehmer im EBR – im Vergleich zum früheren Eurobetriebsrat der HVB – mit der Übernahme verschlechtert hat. „Es ist nicht schlechter, sondern anders geworden. Als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender habe ich früher im EBR vor allem meine Informationen weitergegeben. Heute erfahre ich in Mailand manchmal etwas, das die deutschen Manager nicht wissen. Das verschafft uns einen strategischen Vorteil“, erklärt König.

Die italienischen Manager von Unicredit haben den Aufsichtsrat und die Mitbestimmung nie offiziell infrage gestellt. Sie nutzten allerdings 2010 sofort das neue Gesetz über die Mitbestimmung bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung und fusionierten die HVB mit ihren damals 21 000 Mitarbeitern mit der österreichischen CAIB, bei der gerade mal 105 Leute beschäftigt waren. Das Resultat ist ein Aufsichtsrat mit zwölf statt vorher 20 Mitgliedern, von denen sechs zur Arbeitnehmerseite gehören. Klaus Grünewald, Landesfachbereichsleiter Finanzen bei ver.di Bayern, ist im Gremium der Gewerkschaftsvertreter. „Die Operation diente eindeutig der Einschränkung der Mitbestimmung“, kritisiert er.

Für Peter König hat sich der Arbeitsalltag mit dem neuen Aufsichtsrat inzwischen eingespielt. „Wir versuchen, das Beste daraus zu machen. Es ist einfach ganz anders, wenn man die Zentrale in Mailand und nicht in München hat“, so seine Erfahrung. Ihn und seine Betriebsratskollegen beunruhigen derzeit vor allem die Manager und die sich stetig verschlechternde Unternehmenskultur, die darauf setzt, die Mitarbeiter mit ertragsabhängigen Boni anzutreiben. König hat vor allem Probleme mit den italienischen Managern, mit denen er im Aufsichtsrat und im EBR zu tun hat. „Es macht sich eine Art Berlusconi-Kultur breit. Die Manager üben immer mehr Druck aus, produzieren selbst aber viel heiße Luft und wenig stimmige Zahlen“, erzählt er. Wie die meisten Mitarbeiter sind die beiden Betriebsräte deshalb – sehr besorgt um die Zukunft der Bank.

RADIKALER UMBAU

Diese war 2005 schwer angeschlagen und wurde durch die Fusion mit der Unicredit in letzter Minute gerettet. Dann begann ein radikaler Umbau: die Bündelung des Investmentbankings der gesamten Gruppe bei der HVB in München und die Verlagerung des Geschäfts von West- nach Osteuropa. In der letzten veröffentlichten Bilanz von 2011 verzeichneten nur die Ost-Banken einen Gewinn. Der Ertrag der HVB hingegen ist um knapp 44 Prozent auf 971 Millionen Euro eingebrochen. Vorstandschef Theodor Weimar macht dafür die Schuldenkrise und die Abhängigkeit vom italienischen Markt verantwortlich und argumentiert damit für einen weiteren Stellenabbau. Seit 2005 wurde die Zahl der Beschäftigten von 27 300 auf derzeit rund 20 000 gesenkt.

Bislang hat es keine betriebsbedingten Kündigungen gegeben. Nun sollen in Deutschland aber weitere 44 Filialen und 1000 Vollzeitarbeitsplätze abgebaut werden. „Das kann – wenn man Teilzeitjobs zusammenrechnet – insgesamt 1400 bis 1800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter treffen“, erklärt König. Die Geschäftsleitung schweigt sich darüber aus, welche Filialen geschlossen werden sollen. Diese Unsicherheit schürt die Angst. Aber auch der Druck, zu reagieren, wird immer größer. Das zeigte die letzte Betriebsversammlung in München, zu der über 1400 Leute kamen. „So viel wie nie“, sagt König. Und das ist ein gutes Zeichen, findet er.

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