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Magazin Mitbestimmung

Von REINER WANDLER und KAY MEINERS: Das Lied des linken Chile: El pueblo unido

Ausgabe 11/2016

Das politische Lied Die Folk-Gruppe Quilapayún schreibt 1973 einen der bekanntesten Polit-Songs Südamerikas. Kurz nach der Uraufführung putschen die Militärs.

Von REINER WANDLER und KAY MEINERS

Als sich im Sommer 1965 drei junge Musiker aus Chile zu einem Folk-Terzett zusammenschließen, entscheiden sie sich für ein Wort aus der Sprache der Mapuche-Indianer als Bandname: Quilapayún. Es bedeutet: drei Bärte. Schwarze Ponchos und dunkle Bärte werden das Markenzeichen – der Name bleibt, auch als die Gruppe größer wird. Damals entsteht eine neue Musik, die lokale Traditionen mit dezidiert sozialkritischen und politischen Texten verbindet. Nueva Canción, neues Lied, heißt die Richtung, die sich über große Teile Lateinamerikas ausbreiten wird.

Mit dem Wahlsieg von Salvador Allende, einem Sozialisten, im Jahr 1970 gelangt die Musik zu einer neuen Blüte. Die Gruppe, die für Allendes Partei, die Unidad Popular, einsteht, wird zu einem Botschafter des neuen Chile. Nur wenige Monate vor dem gewaltsamen Sturz des Präsidenten durch das Militär unter Führung von Augusto Pinochet wird live ein neues Lied eingespielt: „El pueblo unido“ („Das vereinte Volk“). Es ist ein pathetisches Lied, unterlegt mit kräftigen Trommelschlägen, dessen Refrain lautet. „El Pueblo unido, jamás será vencido.“ Das vereinte Volk wird niemals besiegt werden.

An anderer Stelle heißt es: „Será mejor la vida que vendrá.“ Das Leben, das kommt, wird besser sein. Die Melodie, ein Marsch, stammt von dem Komponisten Sergio Ortega Alvarad, der Text von Quilapayún. Kaum jemand ahnt, dass das Lied; eine Hymne auf die Unidad Popular, bald  zum Symbol für den verzweifelten Widerstand gegen die Diktatur in Chile wird, der zehntausende Demokraten, Linke und Gewerkschafter zum Opfer fallen sollen.

Wenige Tage vor dem blutigen Putsch, der am 11. September stattfindet, singt Quilapayun das Lied auf einer Massendemonstration für die Regierung Allende. Am Tag des Putsches selbst ist die Gruppe auf einer Europatournee in Frankreich, sie kann nicht zurückkehren. Ihre Mitglieder leben bis 1988 im Exil. Sie ziehen von Solidaritätsveranstaltung zu Solidaritätsveranstaltung. Das Konzert in Hannover am 19. Mai 1974 ist das bekannteste dieser unermüdlichen Tournee, dank der Live-LP „Solidarität mit Chile“. Beteiligt ist eine zweite Gruppe des Nueva Canción Chilena, die 1967 gegründete Gruppe Inti-Illimani, Genauso wie Quilapayún sind sie auf Europatournee, als Pinochet putscht.

Ihnen allen wird die Wiedereinreise verweigert. Über Nacht leben sie im Exil, Tausende Kilometer von der Heimat entfernt. Nach dem Ende der Diktatur in Chile spaltete sich die Gruppe in zwei Fraktionen: eine, die  nach Chile zurückkehrte, und eine, die in Frankreich blieb. Ähnlich wie bei Inti-Illimani  gibt es nun zwei Gruppen, die für sich den Anspruch erheben, die „wahren“ Quilapayún-Mitglieder zu sein.

Immer wieder wurden und werden Musiker und Politiker von „El pueblo unido“ inspiriert. Der US-Pianist Frederic Rzewski widmete dem Lied 1975 ein einstündiges Klavierkonzert unter dem Titel „The People United will never be defeated“. Der deutsche Liedermacher Hannes Wader verfasste 1977 eine deutsche Version, die den Refrain auf Spanisch beibehielt. Und der italienische Jazzpianist Giovanni Mirabassi kreierte im Jahr 2000 eine melancholische Improvisation.

Ob Proteste auf den Philippinen, die Islamische Revolution 1979 im Iran, die Bewegung der Orangenen in der Ukraine, immer wieder erklangen mehr oder weniger freie Übersetzungen des Liedtextes. Aktuell benutzt die spanische Protestpartei „Podemos“ das Lied. Selbst der Ruf der tunesischen Jugend „Das Volk will das Ende des Regimes“ bei der Bewegung 2011, die zum Sturz von Diktator Ben Ali führte, erklang im gleichen Rhythmus wie einst in Chile „El pueblo unido jamás será vencido.“

Foto: Quilapayún (Plattencover Cueca De La Libertad)

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