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Magazin Mitbestimmung

OBI: Baumarkt sägt Betriebsräte ab

Ausgabe 04/2016

Mit dem Verkauf seiner Filiale in Sömmerda und der angekündigten Schließung des Marktes in Augsburg entledigt sich Deutschlands größte Baumarktkette der Führungsspitze auf Arbeitnehmerseite. Von Guntram Doelfs

Hildegard Müller (Name von der Redaktion geändert) ist noch immer fassungslos über das, was am 23. Juni in Wuppertal passiert ist. In einer eilig einberufenen Sitzung des Wirtschaftsausschusses teilt Obi-Personalchef Stefan Wimmer den Gesamtbetriebsräten mit, dass der Obi-Markt in Augsburg zum 30. Juni geschlossen werde. Für Hildegard Müller, zu jenem Zeitpunkt stellvertretende GBR-Vorsitzende bei Obi und in Augsburg beschäftigt, „war es ein Schock. Wir waren alle völlig von den Socken“, erzählt sie. 

Was auf den ersten Blick nur nach einer übereilten Schließung eines Baumarktes aussieht, ist offenbar Teil einer gut vorbereiteten Attacke gegen die Mitbestimmungsstrukturen im Unternehmen. In der gleichen Sitzung teilt der Personalchef nämlich auch mit, dass zum Monatsende zudem der Obi-Heimwerkermarkt im thüringischen Sömmerda verkauft werde. Dort arbeitet Bernhard Groening, zu jenem Zeitpunkt Vorsitzender des Konzern- und Gesamtbetriebsrates von Obi. 

Damit enthauptete das Management von Deutschlands größter Baumarktkette binnen Minuten die Führungsspitze der Arbeitnehmerseite. „Das dient zu nichts anderem, als die Mitbestimmung bei Obi massiv zu schwächen und alle anderen Betriebsräte einzuschüchtern“, urteilt Thomas Voß, der beim ver.di-Bundesvorstand diesen Einzelhandelsbereich betreut.

Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub, dessen Unternehmen mit 74 Prozent Mehrheitsaktionär der Obi Group Holding SE & Co. KGaA ist, begründete Anfang Juli bei einer Tengelmann-Bilanzpressekonferenz die Abwicklung der beiden Obi-Märkte mit deren Verlusten, die diese teilweise seit Jahren einfahren würden. Zudem würde der Mietvertrag für den Augsburger Markt ohnehin Anfang 2018 auslaufen. Dass in Augsburg ausgerechnet Hildegard Müller arbeitet, habe mit der Schließung „rein gar nichts“ zu tun, so Haub. Aus seiner Antipathie gegen Gewerkschaften macht der Tengelmann-Chef seit Jahren keinen Hehl. 

Mit Kanzlei Freshfields gegen Mitbestimmung

Bei Obi standen spätestens mit der Gründung des Konzernbetriebsrates im Jahr 2012 die Zeichen auf Sturm. Seit vielen Jahren schon kämpft ver.di für eine Tarifbindung bei Obi, was auf erbitterten Widerstand des Baumarkt-Marktführers trifft. Verstärkt mischte sich jetzt auch der Konzern- und Gesamtbetriebsrat um Bernhard Groening ein. Beim Warenwirtschaftssystem „Basis3“ etwa sahen sie Datenschutzprobleme und befürchteten eine Überwachung der Mitarbeiter.

„Mehrere Jahre haben wir vergeblich versucht, Informationen zu bekommen und auch bei der Einführung von technischen Neuerungen angehört zu werden“, schildert der ehemalige KBR-Chef Bernhard Groening. Im vergangenen Jahr platzte ihm schließlich der Kragen: „Wir waren offenbar im Weg, weil wir Fragen gestellt haben. Da haben wir beschlossen, unsere Mitbestimmungsrechte gerichtlich einzufordern.“ Es sollte der Auftakt zu zahlreichen juristischen Auseinandersetzungen zwischen Arbeitnehmervertretern und Unternehmensführung werden. 

Obi reagierte auf die Klage vor dem Arbeitsgericht Solingen umgehend und holte sich die international tätige Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer ins Haus, die ihren Sitz in London hat. Freshfields fährt seitdem für Obi die Strategie, die Zuständigkeit des KBR grundsätzlich infrage zu stellen, weil bei der konstituierenden Sitzung im Jahr 2012 angeblich ein erforderliches Quorum von 50 Prozent nicht erreicht worden sei. Die Arbeitnehmerseite weist diese Argumentation strikt zurück und erinnert daran, dass seit der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes im Jahr 2001 der Gesamtbetriebsrat auch für Betriebe zuständig sei, in denen es keinen Betriebsrat gebe. Für Ende Juli (nach Redaktionsschluss) ist der nächste Gerichtstermin anberaumt, es „wird aber nicht die letzte Instanz sein“, glaubt Klaus Scholl, der amtierende KBR-Vorsitzende. Beide Seiten würden wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Verfahrens wohl notfalls bis vor das Bundesarbeitsgericht ziehen, so seine Einschätzung. 

Die Streit zeigt, dass Obi offensichtlich prinzipiell gegen den KBR mit seinen derzeit knapp 100 Mitgliedern vorgehen will und diesen „auf jeden Fall massiv verkleinern möchte“, sagt Scholl, der sich mit Obi auch schon persönlich vor Gericht beharkt hat. Das Unternehmen hatte ihm Anfang des Jahres das Gehalt gekürzt, weil die Marktleitung seine Freistellung anzweifelte. Scholl klagte – und bekam Recht. 

Massive Behinderung der Betriebsratsarbeit

Dass aber Gerichte nicht immer helfen können, zeigen die Fälle von Hildegard Müller und Bernhard Groening. Für den 60-jährigen streitbaren Ex-KBR-Chef Groening hat sich Obi eine ganz besondere Strategie ausgedacht: Seine Filiale wurde zum 1. Juli an die Team AG verkauft, ein Franchise-Unternehmen, das bereits sechs Filialen für Obi betreibt. Weil aber auch die Team AG einen Betriebsrat besitzt, wurde kurzerhand zu einem gesellschaftsrechtlichen Kniff gegriffen. Es wurde eine neue Firma gegründet, die „Bau- und Heimwerkermarkt 2016 GmbH“, geleitet von einem Ex-Obi-Manager. Diese ist an die Team AG angebunden, aber rechtlich eigenständig. „Formal ist das Unternehmen eine Neugründung, weswegen die klassischen Regeln einer Betriebsüberleitung nicht gelten“, schildert Groening. Meint: kein Sozialplan, kein wirklicher Kündigungsschutz. „Das wird kein Zuckerschlecken“, sagt der Betriebsrat und rechnet mit dem Schlimmsten für sich und seine 72 Kollegen in Sömmerda. Gleichwohl hat Groening quasi als letzte Amtshandlung als GBR-Chef noch Strafanzeige gegen das Obi-Management gestellt – wegen massiver Behinderung der Betriebsratsarbeit. 

Im bayerischen Augsburg zeigte der öffentliche Aufschrei Wirkung. Und der massive Widerstand von Betriebsräten und ver.di, die Obi vor Gericht mit mehreren einstweiligen Verfügungen überzogen. Die geplante Schließung des Obi-Marktes mit 67 Mitarbeitern zum 1. Juli wurde zunächst ausgesetzt. „Sie ist aber nur aufgeschoben“, sagt Hildegard Müller, die seit Groenings Ausscheiden GBR-Vorsitzende ist. Mitte Juli gab es erste Verhandlungen über einen Sozialplan, noch ohne Ergebnis. „Das Unternehmen will aber möglichst schnell die Filiale schließen“, erzählt die 47-Jährige, die eine grundsätzliche Frage umtreibt: „Wie stellt Obi sich eigentlich die weitere Zusammenarbeit mit Betriebsräten vor?“

Deutschlands größte Baumarktkette

Die 570 Obi-Baumärkte in Europa, davon 330 in Deutschland, machten im vergangenen Jahr 5,7 Milliarden Euro Umsatz (ohne Franchisemärkte) und beschäftigten 46 000 Mitarbeiter. Mit 74 Prozent ist die Tengelmann-Unternehmensgruppe Mehrheitsaktionär der Obi Group Holding SE & Co. KGaA.

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