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Ökonom Tom Krebs Magazin Mitbestimmung

Wissenschaft: "Es geht um Teilhabe am grünen Boom"

Ausgabe 03/2021

Ökonom Tom Krebs über die sozialökologische Transformation der Wirtschaft und die Frage, wie dieser Umbau sozial gerecht organisiert werden kann.

Herr Krebs, wie einige andere Ökonomen fordern auch Sie weitere Investitionen des Staates. Haben die Bazooka von Finanzminister Olaf Scholz und das Corona-Paket der EU nicht gereicht?

Milliarden als Soforthilfen waren in der Krise richtig. Aber jetzt, ausgangs der Pandemie und in Erwartung eines wirtschaftlichen Aufschwungs, ist der richtige Zeitpunkt für eine sozialökologische Transformation des Staates. Dafür müssen wir erneut Geld in die Hand nehmen.

Wie soll diese Transformation aussehen?

Es ist mittlerweile bei weiten Teilen der Politik und in den Unternehmen angekommen, dass vor allem der Klimaschutz zusammen mit der Digitalisierung die wirtschaftliche Zukunft und den Standort Deutschland sichern wird.

Woran scheitert die Transformation dann?

Die Regierung scheut das Risiko. Zudem sind mehrere Ministerien beteiligt, die alle unter einen Hut gebracht werden müssen. Es wird noch diskutiert, wie eine Umsetzung gelingen kann und wie der Wandel sozial gerecht ausgestaltet werden kann.

Was schlagen Sie vor?

Drei wirtschaftliche Prinzipien sind entscheidend: Der Staat fördert gezielt die Nachfrage nach ökologisch nachhaltigen Zukunftsprodukten. Er schafft die notwendige öffentliche Infrastruktur und stärkt die Sozialpartnerschaft, damit möglichst viele Menschen am Wirtschaftsboom teilhaben können.

Das bedeutet in der Praxis?

Nehmen wir Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien erzeugt wurde. Für diesen neuen Markt erarbeiten wir gerade eine Studie. Hier muss der Staat der Stahlindustrie Planungssicherheit verschaffen, indem er ein angemessenes Angebot an klimaneutralem Wasserstoff langfristig gewährleistet. So macht er die frühzeitige Umstellung auf eine klimaneutrale Stahlproduktion rentabel. Und der aufstrebenden Wasserstoffwirtschaft gibt der Staat Planungssicherheit, indem er die notwendige Transportinfrastruktur bereitstellt und einen Absatzmarkt schafft.

Und wie schafft die Politik gleichzeitig soziale Gerechtigkeit?

Bislang haben wir auf ein progressives Steuersystem und den Sozialstaat gesetzt, um die Wohlstandsgewinne gerecht zu verteilen. Anders gesagt: Zuerst wird der Kuchen eines grünen Wirtschaftsbooms größer und grüner gemacht, und dann wird er durch den Staat möglichst gerecht verteilt. Aberein niedriges Erwerbseinkommen ist häufig mit geringer gesellschaftlicher Wertschätzung verbunden.

Wie könnte es besser gehen?

Um möglichst vielen Menschen eine echte Teilhabe am grünen Wirtschaftsboom zu ermöglichen, braucht es ein höheres Einkommen und zusätzliche Maßnahmen, die bereits während der Produktionsphase greifen und die Verteilung der Markteinkommen direkt verändern. Dies bedeutet konkret für Deutschland weitere gesetzliche Regelungen zur Stärkung der betrieblichen Mitbestimmung und Tarifbindung und eine Erhöhung des Mindestlohns auf mindestens zwölf Euro.

Zur Person

Tom Krebs ist Professor für Makroökonomik und Wirtschaftspolitik an der Universität Mannheim und seit April Senior Research Fellow des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.

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