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HBS Böckler Impuls

Gesundheitsprävention: Wirksamkeit auch im Ausland kaum erforscht

Ausgabe 16/2007

Vorbeugen ist besser als heilen: Experten sind sich einig, dass Prävention und Gesundheitsförderung gestärkt werden sollen. Doch welche Initiativen wirklich wirken, ist nicht ausreichend erforscht.

Wer auf dem Weg ins Büro die Treppe nimmt, tut etwas für seine Fitness. Und wer seine Beschäftigten mit Plakaten zum Aufstieg per pedes animiert, betreibt mit geringem Aufwand Gesundheitsförderung - glauben etliche Arbeitgeber. Doch Untersuchungen zeigen, dass die Kraxel-Kampagnen erfolglos sind: Die Plakate verändern das Verhalten der Beschäftigten kaum. Solche Aktionen sollten deshalb nicht mehr durchgeführt werden, hält ein Forscherteam um Professor Karl Lauterbach von der Universität Köln in einer neuen Untersuchung fest, die die Hans-Böckler-Stiftung gefördert hat.

Die Kölner Gesundheitsökonomen werteten knapp 130 Evaluations-Studien aus 13 Industriestaaten anhand eines umfassenden Kriterienkatalogs aus. Angesichts von mehreren tausend Präventionsprogrammen konzentrierten sich die Wissenschaftler dabei exemplarisch auf vier Themen: Bewegungsprogramme im Betrieb und speziell für Mädchen und Frauen; Depressions-Prävention in der Schule; gute Ernährung für Schüler sowie Raucherentwöhnung bei Schwangeren. Die Fragestellung der Untersuchung: Lassen sich im Ausland Präventions-Konzepte identifizieren, die einer methodisch anspruchsvollen wissenschaftlichen Prüfung unterzogen wurden und sich in dieser Evaluation als wirkungsvoll erwiesen? Und kann man diese Ergebnisse auf Deutschland übertragen?

Der Blick in die internationale Forschung ist für Wissenschaftler beim Thema Gesundheitsförderung zwingend: Die Bundesregierung hat angekündigt, bis 2009 ein Präventionsgesetz vorzulegen. Gleichzeitig steckt die systematische Evaluation von Präventionsprogrammen in Deutschland noch weitgehend in den Kinderschuhen.

Doch auch in den USA, Australien, Frankreich, in den Niederlanden, den nordischen Ländern, Großbritannien oder der Schweiz ist eine konsequente wissenschaftsgestützte Qualitätskontrolle bei der Prävention eher selten, attestieren die Forscher. Lediglich die Finnen sind in der Systematik schon weiter. Keine einzige der untersuchten ausländischen Maßnahmen schaffte es, als "in hohem Maße empfehlenswert" eingestuft zu werden.

Bei einem Teil lag das daran, dass sich die jeweilige Vorbeuge-Intervention in methodisch anspruchsvollen Checks nur als eingeschränkt effektiv erwies oder gar durchfiel - so wie die Plakatwerbung fürs Treppensteigen, deren Wirkungslosigkeit nach Analyse der Forscher immerhin klar erwiesen ist.

Häufiger ist Variante zwei: Die Qualität der Bewertungsstudien reicht nicht aus, um ein überzeugendes Urteil über die Wirksamkeit abzugeben. "Insgesamt ist die Zahl der Interventionen zwar extrem hoch, die Zahl der Evaluationen mit genügend hohem Qualitätsanspruch jedoch extrem klein", resümieren die Forscher um Lauterbach. "Mit anderen Worten werden die allermeisten Ressourcen derzeit ohne Nachweis von qualitätsgesicherten Effekten ausgegeben." Prävention und Gesundheitsförderung hinkten somit auch international im Vergleich zur kurativen Medizin um 25 Jahre hinterher.

Um das Wissensdefizit zu verkleinern, empfehlen die Gesundheitsökonomen für das geplante deutsche Präventionsgesetz einen pragmatischen Ansatz: Der Gesetzgeber solle auch neue, innovative Programme zur Prävention und Gesundheitsförderung zulassen. Zugleich müssten für alle öffentlich geförderten Aktivitäten methodisch hochwertige Evaluationen vorgeschrieben werden. Bei der Formulierung von Anforderungen könnte der Kriterienkatalog helfen, den die Kölner für ihre Studie erarbeitet haben. Schließlich raten die Forscher dazu, alle Präventionsprogramme zunächst zeitlich zu befristen. Grund: Da die empirische Studienlage derzeit nicht ausreiche, würden "absehbar auch nicht wirksame Interventionen durchgeführt". 

  • Holland und Deutschland liegen bei der Prävention vorn. Zur Grafik
  • Gerade in angelsächsischen Ländern ist Fettleibigkeit verbreitet. Zur Grafik

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