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'Wir dürfen optimistisch sein' Böckler Impuls

Treibhausgase: Transformation fördern, Schlupflöcher schließen

Ausgabe 09/2022

Die EU will die Verlagerung von klimaschädlichen Emissionen in Länder mit geringeren Umweltstandards durch Zölle verhindern. Hinzukommen sollte eine direkte Förderung klimaschonender Technologien.

Die EU hat sich ambitionierte Klimaziele gesetzt, die vor allem durch eine Bepreisung von Treibhausgasemissionen erreicht werden sollen. Doch damit ist ein Risiko verbunden: Wenn CO₂-Abgaben anderswo niedriger sind als in der EU oder ganz fehlen, haben europäische Unternehmen höhere Produktionskosten und damit einen Wettbewerbsnachteil. Dann besteht die Gefahr des sogenannten Carbon Leakage, das heißt, dass diese Unternehmen ihre emissionsintensive Produktion in Länder mit laxerer Umweltgesetzgebung verlagern oder dass Güter aus europäischer Produktion durch CO₂-intensivere Importgüter ersetzt werden könnten. Beides würde den Erfolg der EU-Klimapolitik deutlich schmälern, weil CO₂-Einsparungen in der EU höhere Emissionen außerhalb der EU mit sich bringen würden. Die EU-Kommission will dies mit einem Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) verhindern. Dabei sollen Emissionen, die von importierten Gütern verursacht sind, in vergleichbarer Weise bepreist werden wie die, die bei der Produktion entsprechender Güter in der EU anfallen. Eine Studie zweier österreichischer Forschungsinstitute durchleuchtet die Pläne der Kommission im Auftrag des IMK.

Die Forschenden des Instituts für Law and Governance der Wirtschaftsuniversität Wien sowie der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung attestieren ein Dilemma: Die geplanten Maßnahmen umfassten einerseits nur einen Teil der relevanten Importe, weil sie nur für Grundstoffe und Grunderzeugnisse aus besonders emissionsintensiven Sektoren gelten sollen. Würde der CBAM allerdings auch auf weiterverarbeitete Produkte angewandt, wie etwa vom Europäischen Parlament gefordert, drohten andererseits ein hoher Verwaltungsaufwand und Konflikte mit den Regeln der Welthandelsorganisation WTO. 

Wirtschaftliche Schwierigkeiten oder Abwanderung von Industriebetrieben wegen hoher CO₂-Preise – ist das überhaupt eine reale Gefahr? Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben den Forschungsstand zum Thema analysiert. Dabei sind sie auf gemischte Ergebnisse gestoßen. Eine Studie zeigt etwa, dass Länder, die dem Kyoto-Protokoll beigetreten sind, ihre eigenen Emissionen reduziert, dafür aber mehr CO₂-intensive Güter importiert haben. Andere Studien auf Basis von Befragungen von EU-Unternehmen fanden bislang keine signifikanten Effekte, während Simulationsstudien auf unterschiedlich starke Carbon-Leakage-Effekte hinweisen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass in der Vergangenheit der CO₂-Preis gering war und dass Sektoren mit hohem Treibhausgas­ausstoß häufig kostenlose Emissionszertifikate zugeteilt bekommen. Beides wird sich in den nächsten Jahren deutlich verändern. Gerade wenn der Emissionshandel in der EU in die nächste Phase tritt, die größere Belastungen für Unternehmen mit sich bringen wird, könne „nicht ausgeschlossen werden, dass Carbon Leakage in Zukunft deutlich stärker auftreten wird“, konstatieren die Forschenden aus Wien.

Der Entwurf der Kommission sieht vor, CBAM zunächst für ausgewählte Produkte bestimmter CO₂-intensiver Industrien einzuführen: Zement, Eisen und Stahl, Aluminium, Düngemittel und Stromerzeugung. Es soll zunächst um Grundstoffe und Grunderzeugnisse gehen, „da bei diesen im Gegensatz zu verarbeiteten Produkten die Abschätzung der enthaltenen Emission einfacher umzusetzen ist“, so die Forschenden. Unter Wettbewerbsgesichtspunkten problematisch ist nach Einschätzung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter anderem, dass Fertig- oder Halbfertigprodukte unbehelligt bleiben. „Eine Ausweitung des CBAM auf weiterverarbeitete Waren ist allerdings mit gravierenden methodischen Problemen bei der Messung des CO₂-Gehalts konfrontiert und würde Importeure mit einem hohen administrativen Aufwand belasten“, heißt es in der Studie. Neben dem Einsatz preisbasierter Instrumente der Klimapolitik komme es daher darauf an, „massiv in die Förderung von Innovationen und neuen Technologien zu investieren“. Mit technologischen Durchbrüchen Treibhausgase zu vermeiden, sei letztlich wirkungsvoller, als mit komplexen Strategien die Umgehung von Abgaben zu verhindern. Daher sollten die mittels CBAM generierten Finanzmittel ebenso wie die Erlöse aus dem Verkauf von Emissionszertifikaten in Fonds zur Erforschung und Förderung energieeffizienter Technologien fließen. Ein solches System dürfte auch die Kollisionsgefahr mit den WTO-Regeln verringern.

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