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Wichtige Entlastung Böckler Impuls

Gaspreisbremse: Wichtige Entlastung

Ausgabe 16/2022

Der Staat will einen Teil der Gasrechnung übernehmen. Privathaushalte und Gewerbekunden werden dadurch entlastet. Das stützt Kaufkraft und Konjunktur.

Die Kommission Gas und Wärme der Bundesregierung hat einen Vorschlag zur Deckelung der Gaspreise vorgelegt. Nach Berechnungen des IMK dürfte die Entlastung der Privathaushalte durch die Gaspreisbremse bis Frühjahr 2024 knapp 32 Milliarden Euro betragen. Hinzu kommt noch die Entlastung durch eine Einmalzahlung im Dezember 2022. „Es ist erfreulich, dass die Gaspreiskommission schnell ein praktikables Ergebnis vorgelegt hat. Auf dieser Basis kann jetzt gearbeitet werden“, erklärt IMK-Direktor Sebastian Dullien. Die Entlastungen dürften direkt die Kaufkraft stützen und den befürchteten Konsumrückgang über den Winter abfedern. Das könnte das Bruttoinlandsprodukt um knapp einen Prozentpunkt stärken. Gleichzeitig dürfte die Inflation im kommenden Jahr bei Umsetzung der Gaspreisbremse um mehrere Prozentpunkte geringer ausfallen, als das sonst der Fall gewesen wäre.

Im Durchschnitt würden alle Haushalte unabhängig von ihrer Einkommensposition um mehr als 40 Prozent ihrer Heizkosten entlastet, so Dullien. Damit lägen die Heizkosten zwar immer noch deutlich höher als vor der russischen Invasion in der Ukraine, aber nun sei die Belastung von Haushalten, die mit Gas heizen, nicht mehr exorbitant höher als bei Haushalten etwa mit Ölheizung. Das sei wichtig, um Zahlungsschwierigkeiten über den Winter zu verhindern.

Da allerdings Haushalte mit hohen Einkommen tendenziell auch einen höheren Gasverbrauch haben als Geringverdienende, werden manche wohlhabende Haushalte absolut in Euro gerechnet deutlich stärker entlastet als ärmere Haushalte mit geringem Verbrauch. „Der Kommissionsbericht enthält einen sehr klaren Prüfauftrag an die Regierung, zu klären, wie man eine übermäßige Subvention von Haushalten mit exzessivem Gasverbrauch verhindern kann“, so der Ökonom. „Der pragmatische Ansatz der Kommission, Gaskunden anteilig an ihrem Verbrauch zu entlasten, geht darauf zurück, dass es keine einfache technische Lösung gibt, den Gaspreis zielgenau nur für bedürftige Haushalte zu deckeln.“ So gebe es etwa keine leicht verwertbaren Informationen darüber, ob hinter einem Anschluss eine Villa mit Schwimmbad oder ein Mehrfamilienhaus mit zehn Parteien stehe, geschweige denn darüber, wie viele Menschen in den Haushalten lebten. Der Ball, dafür eine Lösung zu erarbeiten, liege nun im Feld der Regierung, so Dullien.

Der vorliegende Vorschlag der Kommission sieht, nach einer Einmalzahlung im Dezember, vor, dass der Gaspreis ab dem kommenden Frühjahr bei 12 Cent pro Kilowattstunde (kWh) gedeckelt wird für 80 Prozent des jährlichen Verbrauchs. Für dieses Kontingent gleicht der Staat die höheren Kosten aus, wenn der Marktpreis über den Fixpreis steigt. Für jeden Verbrauch darüber hinaus müssen Haushalte den deutlich höheren Marktpreis bezahlen. Bemessungsgrundlage sind die Abschlagszahlungen, die sich in der Regel am Vorjahresverbrauch orientieren.

„Insgesamt ist das Kommissionsergebnis eine gute Vorlage. Natürlich wäre es schöner gewesen, eine zielgenauere Gaspreisbremse zu konstruieren und diese so zeitig umzusetzen, dass man sich die Übergangszeit mit einer staatlich finanzierten Abschlagszahlung im Dezember hätte sparen können“, sagt Dullien. „Hier rächt sich, dass die Politik das Thema Gaspreisanstieg zu lange verschleppt und erst im September die Kommission eingesetzt hat, obwohl die Probleme seit dem Frühjahr absehbar waren.“ Wie stark sich prinzipiell denkbare Ausgestaltungen der Gaspreisbremse, die man mit mehr Vorlauf hätte umsetzen können, auf die Entlastung und damit die Kosten für den Staat auswirken, haben Dullien und die IMK-Forscher Tom Bauermann und Jan-Erik Thie untersucht. Dabei haben sie drei mögliche Varianten berechnet, darunter eine, die fast identisch ist mit dem Entwurf der Kommission, und eine, die eine Obergrenze bei der Entlastung zieht. 

Für jede der drei Varianten rechnen die Wissenschaftler mit zwei unterschiedlichen Preisen, zu denen das subventionierte Grundkontingent an die Gaskunden abgegeben wird. Im ersten Fall sind es 12 Cent pro kWh, im zweiten 10 Cent. Die Forscher des IMK haben diese Kosten nach Bekanntwerden der Kommissionsergebnisse neu berechnet. Daher weichen die Zahlen von einer früheren Veröffentlichung ab.

  • Variante A: Ein Grundkontingent von 5000 kWh pro Privathaushalt, das um 2000 kWh für jede weitere Person im Haushalt aufgestockt wird. Dieses Modell entspricht weitgehend dem Konzept, das Dullien und Isabella Weber von der University of Massachusetts Amherst im Februar 2022 entwickelt haben.
  • Variante B: Ein Grundkontingent von 80 Prozent des Verbrauchs, den der jeweilige Haushalt im Vorjahr hatte. Die Variante ist dem aktuellen Vorschlag der Kommission sehr ähnlich. Sie hat den Vorteil, dass sie vergleichsweise leicht umsetzbar ist. Ein Manko daran ist aus Sicht des IMK, dass der Anteil an der Gasrechnung, den der Staat subventioniert, zwar immer gleich ist, in absoluten Euro-Beträgen aber Besserverdienende mit hohem Gasverbrauch stärker entlastet werden. 
  • Variante C: Ein Grundkontingent von 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs, allerdings bis zu einem maximalen Bezug, beispielsweise 15 500 oder 20 000 kWh. Diese Obergrenze soll verhindern, dass Haushalte mit hohen Einkommen, großer Wohnfläche und hohem Verbrauch besonders profitieren. Variante C stellt gewissermaßen eine Weiterentwicklung von B dar. Im Bericht der Gaspreiskommission wird der Gesetzgeber auch explizit aufgefordert, eine derartige Variante zu prüfen.  

Die Kosten des Deckels

Am geringsten sind die Kosten für Variante A mit einem festen Grundkontingent pro Person. Wird der Preis im gedeckelten Bereich auf 12 Cent pro kWh festgesetzt, muss der Staat für 2023 18,3 Milliarden Euro aufwenden. Wird der Preis in diesem Bereich auf 10 Cent pro kWh gedeckelt, so steigen die Kosten auf 21 Milliarden Euro.

Variante B mit einem an 80 Prozent vom Vorjahresverbrauch festgemachten Grundkontingent führt zu fast doppelt so hohen Kosten: 31,8 Milliarden Euro bei einer Deckelung in Höhe von 12 Cent pro kWh beziehungsweise 36,5 Milliarden Euro bei 10 Cent pro kWh. 

Dazwischen liegen die notwendigen Ausgaben für Variante C, wenn man also die maximal geförderte Zahl an kWh begrenzt. Dann ergeben sich bei einer Obergrenze von 15 500 kWh Kosten von 28,8 Milliarden Euro beziehungsweise gut 33 Milliarden Euro.

Single-Haushalte sparen 670 bis 1364 Euro

Spiegelbildlich zu den Kosten variieren auch die Entlastungswirkungen für einzelne Haushalte, wie die Berechnungen des IMK deutlich machen. So wird beispielsweise in Variante A bei einem Gaspreisdeckel von 12 Cent pro kWh ein Einpersonenhaushalt durchschnittlich um 670 Euro pro Jahr entlastet. Läge der Preisdeckel bei 10 Cent pro kWh, würde die Entlastung auf knapp 770 Euro steigen. 

Deutlich höher wäre die Wirkung bei Variante B: Hier läge die Entlastung bei 1187 Euro beziehungsweise 1364 Euro für einen durchschnittlichen Einpersonenhaushalt. 

Ein Dreipersonenhaushalt würde, abhängig von Modell und Abgabepreis, zwischen 1204 Euro (Variante A, 12 Cent) und 2316 Euro (Variante B, 10 Cent) pro Jahr weniger ausgeben. Bei Haushalten mit fünf oder mehr Personen reicht die jährliche Entlastung von 1730 Euro (Variante A, 12 Cent) bis 2875 Euro (Variante B, 10 Cent). 

Im Durchschnitt dürften Haushalte aus den oberen Einkommensdezilen bei Variante B etwa anderthalbmal so große Rabatte bekommen wie Haushalte in den unteren Einkommensdezilen. Bei den Spitzenverbrauchern mit sehr hohen Einkommen dürfte dieses Verhältnis noch einmal höher ausfallen. Variante C kappt solche Vorteile für Haushalte mit hohem Verbrauch.

Tom Bauermann, Sebastian Dullien, Jan-Erik Thie: Fiskalische Kosten und Finanzierungsoptionen für Varianten des Gaspreisdeckels, IMK Policy Brief Nr. 134, September 2022

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