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HBS Böckler Impuls

Gleichstellung: Väterquote wirkt - Wahlfreiheit nicht

Ausgabe 18/2007

Um die Erwerbs- und die Familienarbeit gerechter zwischen Männern und Frauen aufzuteilen, reicht es nicht, auf die "Wahlfreiheit" von Eltern zu setzen. Im Gegenteil: Erfahrungen aus Nordeuropa zeigen, dass unter diesem Motto eingeführte Betreuungsgeldsysteme eine traditionelle Rollenverteilung fördern.

Wie sich die arbeits- und familienpolitischen Reformen in Dänemark, Schweden, Finnland und Norwegen entwickeln, haben zwei Forscherinnen der Universität Oslo untersucht. Auch in den nordischen Staaten stehen sich mittlerweile zwei Modelle gegenüber: Einerseits das Konzept der gleichberechtigten Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit, das unter anderem den Ausbau einer öffentlichen Kinderbetreuung vorangetrieben hat. Andererseits das eher konservative Modell, das für sich beansprucht, die "Wahlfreiheit der Eltern" zu fördern. Es zielt auf die Bezuschussung elterlicher Betreuungsarbeit ab und ist in der Theorie geschlechtsneutral formuliert: Die Eltern sollen selbst entscheiden, wie sie die Betreuung in der Familie organisieren.

Erfahrungen mit Wahlfreiheit: Die Basis, auf der die nordischen Länder aufbauen, sind die Reformen der 70er-Jahre, an denen sozialdemokratische Regierungen einen großen Anteil hatten. Sie beinhalteten die beiden Säulen "bezahlter Elternurlaub" und "staatlich geförderte Kindertagesbetreuung". Die Beschäftigungsquoten von Frauen im Familienalter stiegen auf gut 80 Prozent. Doch solange die Eltern die Wahl hatten, wer den Erziehungsurlaub beansprucht, nahmen ihn fast nur die Mütter. Die Forscherinnen sehen ein Problem darin, dass das Konzept der "Wahlfreiheit" auf unzutreffenden Annahmen beruht. Es geht davon aus, dass komplett autonome Akteure in allen Lebenslagen freie Entscheidungen treffen können. Ökonomische und soziale Zwänge würden nicht berücksichtigt.

Väterurlaub - ein Konzept, das funktioniert: Eine echte Innovation stellte die Einführung eines den Vätern vorbehaltenen Elternurlaubs dar - die sogenannte Väterquote. Diese Regelung wurde zuerst 1993 in Norwegen eingeführt, 1994 folgte Schweden, 1997 Dänemark. Finnland hat die Väterquote seit 2003.

Die nordischen Staaten gingen dann aber unterschiedliche Wege. Während Schweden die Väterquote auf zwei Monate verlängert hat, schaffte Dänemark sie bald wieder ab. Das Ergebnis: Schwedische Väter nahmen 2004 rund 20 Prozent des Gesamtelternurlaubs in Anspruch, dänische dagegen nur 5 Prozent.

Die Quotenregelung könne helfen, auch für Väter neue Normen von Männlichkeit auszuprägen, schreiben die Autorinnen: zum Beispiel die, dass väterliche Kleinkindpflege zur Normalität wird. Ein Blick noch weiter in den Norden untermauert diese Einschätzung. In Island, wo jeder Elternteil drei Monate Urlaub beanspruchen kann, während weitere drei Monate der freien Aufteilung unterliegen, nutzen die Väter sogar 30 Prozent der verfügbaren neun Monate.

Betreuungsgeld - Mütter bleiben zu Hause: In Finnland und Norwegen gibt es die Möglichkeit für Eltern, eine finanzielle Zuwendung zu bekommen, wenn sie die staatlichen Kinderbetreuungsangebote nicht nutzen. In Finnland liegt diese Zuwendung bei rund 300, in Norwegen bei rund 400 Euro. Sinkende beziehungsweise stagnierende Beschäftigungsquoten zeigen: Diese Regelungen führen dazu, dass die Frauen eher zu Hause bleiben. Vor allem in Finnland arbeiten Mütter mit Kindern weniger. Allerdings scheinen hier auch weitere Faktoren wie die problematische Situation auf dem Arbeitsmarkt die Wahl der Eltern zu beeinflussen - in diesem Fall so, dass sie sich für traditionelle Strukturen entscheiden.

Messbare Erfolge: Die Erfahrungen in den nordischen Ländern legen nahe, dass Politik durchaus zum Wandel der Geschlechterbeziehungen beitragen kann. Nach Ansicht der Autorinnen trägt die Modernisierungspolitik der letzten 30 Jahre in Skandinavien Früchte: eine hohe Frauenerwerbstätigkeit, relativ hohe Geburtenraten und eine wachsende Beteiligung der Väter an der Kinderbetreuung. Konzepte, die auf die "Wahlfreiheit" der Eltern setzen, überzeugten hingegen nicht: So wirkte die Einführung von Betreuungsgeldern eher als "Hemmnis für die Gleichberechtigung der Geschlechter", resümieren die Wissenschaftlerinnen.

  • Schwedische Väter bleiben öfter zuhause. Zur Grafik
  • Nach dem ersten Geburtstag geht's in Skandinavien meist in die Krippe. Zur Grafik

Anne Lise Ellingsæter, Leira Arnlaug: Familienpolitische Reformen in Skandinavien - Gleichberechtigung der Geschlechter und Wahlfreiheit der Eltern, in: WSI-Mitteilungen 10/2007.

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