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'Tarifbindung muss Priorität haben' Böckler Impuls

Lohnpolitik: "Tarifbindung muss Priorität haben"

Ausgabe 16/2021

Unternehmen sollten nur dann öffentliche Aufträge erhalten, wenn sie sich an Tarifverträge halten. Die neue Regierung könnte das auf Bundesebene mit einem Tariftreuegesetz sicherstellen.

Um Tarifflucht zu verhindern, gibt es in mehreren Bundesländern Tariftreue- und Vergabegesetze. Danach erhalten Unternehmen nur öffentliche Aufträge, wenn sie sich an Tarifverträge halten. Auch auf Bundesebene wäre eine solche Regelung sinnvoll, sagt Thorsten Schulten, Leiter des WSI-Tarifarchivs. „Die Stärkung der Tarifbindung muss eine Priorität der nächsten Bundesregierung sein, weil es hier um einen Grundpfeiler der sozialen Marktwirtschaft geht“, erklärt der Tarifexperte.

Immerhin entfällt ein Viertel des gesamten öffentlichen Auftragsvolumens auf die Bundesebene. SPD und Grüne haben sich in ihren Wahlprogrammen für ein Bundestariftreuegesetz ausgesprochen. Die FDP sei zwar skeptisch, so Schulten, allerdings hätten die Liberalen unlängst in Sachsen-Anhalt einen Koalitionsvertrag unterzeichnet, der die Einführung einer umfassenden Tariftreueregelung auf Landesebene vorsieht. Demnach sollte auch auf Bundesebene eine entsprechende Regelung durchsetzbar sein, argumentiert Schulten.

Zumal die meisten Juristen heute davon ausgingen, dass Tariftreuevorgaben mit dem Europarecht vereinbar sind. Erst im letzten Jahr habe die Europäische Kommission im Rahmen ihres Richtlinienentwurfes für angemessene Mindestlöhne explizit darauf hingewiesen, dass die in den europäischen Vergaberichtlinien vorgesehene Berücksichtigung sozialer Kriterien auch Tariftreuevorgaben umfasst.

Bei öffentlichen Ausschreibungen komme immer noch oft der billigste Anbieter zum Zuge – zumeist Unternehmen ohne Tarifbindung. Gerade die vermeintlich günstigen Anbieter erbrächten mitunter die zugesagten Leistungen nicht im vereinbarten Zeitrahmen oder nur mit erheblichen Qualitätsmängeln, erklärt Schulten. Oft müsse dann nachgearbeitet werden, was mit zusätzlichen Kosten verbunden ist. „Tarifgebundene Unternehmen erbringen demgegenüber mit entsprechend ausgebildetem und motiviertem Personal oft eine deutlich bessere Leistung, die am Ende sogar günstiger ausfallen kann“, so der Tarifexperte.

Zusätzlich sei eine Reform der Allgemeinverbindlicherklärung nötig, mit der ein Tarifvertrag auf alle Unternehmen einer bestimmten Branche ausgedehnt werden kann. Das Verfahren sei bislang zu kompliziert und eröffne der Arbeitgeberseite zu viele Blockademöglichkeiten. Mehr allgemeinverbindliche Tarifverträge würden nicht nur die Tarifbindung erhöhen, sondern auch für die Unternehmen faire Wettbewerbsbedingungen schaffen.

Malte Lübker, Thorsten Schulten: Tarifbindung in den Bundesländern, Elemente qualitativer Tarifpolitik Nr. 89, WSI, März 2021 

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