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Coronakrise: Stresstest für die Mitbestimmung

Ausgabe 20/2021

Die Corona-Pandemie stellt einen Stresstest für viele Bereiche des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens dar. Das gilt auch für die betriebliche Mitbestimmung.

In der Krise werden die Rechte von Beschäftigten häufig missachtet – teilweise aufgrund von Überforderung des Managements, teilweise mit voller Absicht. „Unternehmen setzen in der Pandemie auf Informalität und Ad-hoc-Entscheidungen, um eine Beteiligung der Interessenvertretungen zu umgehen. In einigen Fällen wird die disruptive Situation von Unternehmensleitungen strategisch genutzt, um die eigenen Interessen in bereits länger bestehenden Konfliktfeldern durchzusetzen“, schreiben Daniel Behruzi, Ulrich Brinkmann und Tanja Paulitz von der TU Darmstadt. Die Analyse der Soziologen und der Soziologin stützt sich im Wesentlichen auf Interviews mit Expertinnen und Experten aus Betriebsräten und Gewerkschaften, unter anderem aus den Bereichen Metallindustrie, Telekommunikation, Chemie und Gesundheit. 

Statt die Beschäftigten an Entscheidungen zu beteiligen – etwa bei den Themen Arbeitszeit, Arbeitsschutz oder Homeoffice –, setzten Leitungskräfte nicht selten auf „ein Regime von Notverordnungen“, so die Wissenschaftlerin und die Wissenschaftler. Das gelte vor allem dort, wo Mitbestimmung ohnehin als lästiges Übel angesehen wird. Einige Geschäftsführungen verlangten zu Beginn der Pandemie, dass Mitarbeitervertretungen aufgrund der Ausnahmesituation auf grundlegende Rechte verzichten. Tatsächlich hätten nicht wenige Gremien ihre Arbeit vorübergehend eingestellt, weil Präsenzsitzungen nicht möglich und die Voraussetzungen für digitale Treffen nicht gegeben waren oder weil die Betriebsräte voll zur Arbeit eingeteilt wurden. Besonders betroffen seien Betriebe im Gesundheitswesen, was daran liegen dürfte, dass diese in der Pandemie stark unter Druck stehen.

Ob Kollektivrechte infrage gestellt werden, hänge stark von der Mitbestimmungskultur im Betrieb ab, schreiben Behruzi, Brinkmann und Paulitz. Wo Geschäftsleitung und Belegschaftsvertretung vorher auf Augenhöhe miteinander kooperiert haben, täten sie das im Regelfall auch in einer Krisensituation. Weitere entscheidende Faktoren dafür, ob die Mitbestimmung den „pandemischen Stresstest“ besteht, seien die Durchsetzungsfähigkeit des Betriebsrats sowie die gewerkschaftliche Anbindung der Belegschaft.

Daniel Behruzi, Ulrich Brinkmann und Tanja Paulitz: Corona-Krise – Stresstest für die Mitbestimmung, WSI-Mitteilungen 04/2021

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