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Starker Binnenmarkt schützt vor Brexit-Folgen Böckler Impuls

Konjunktur: Starker Binnenmarkt schützt vor Brexit-Folgen

Ausgabe 01/2019

Die EU sollte mögliche Turbulenzen durch den Brexit mit einer wirtschaftspolitischen Stabilisierungsstrategie auffangen. Deutschland könnte die unteren Einkommen entlasten.

Der Brexit birgt erhebliche Gefahren für Europa, das haben die jüngsten Ereignisse im britischen Unterhaus erneut deutlich gemacht. Sollte es zu Panikreaktionen auf den Märkten kommen, müsse die EU pragmatisch mit den Budgetregeln umgehen und gegebenenfalls stabilisierend eingreifen, fordern die Konjunktur­experten des IMK. „Alle Länder, wenigstens die besonders betroffenen, müssen zumindest ihre automatischen Stabilisatoren in vollem Umfang spielen lassen dürfen.“ Das heißt: mögliche Konjunktureinbrüche nicht durch panische Sparmaßnahmen verstärken, sondern vorübergehende Defizite, etwa bei der Arbeitslosenversicherung, hinnehmen. Zudem sollte die irische Wirtschaft in einer akuten Krisensituation unterstützt werden.

Für das abgelaufene Jahr konstatiert das IMK Vor- und Rückschritte bei der Stabilisierung der Eurozone. So sei es sinnvoll, dass nun der Euro-Krisenfonds ESM mit erweiterten Kompetenzen zu „einer Art Währungsfonds“ ausgebaut werde. Auch das kürzlich in Brüssel beschlossene Euroraum-Budget weise in die richtige Richtung. Konterkariert werde das aber zum Teil dadurch, dass die EU-Regierungschefs vereinfachte Umschuldungsklauseln für notleidende Staatskredite von Euroländern beschlossen haben – ein Hinweis darauf, dass sie mit weiteren Schuldenschnitten rechnen.

Dies verschärfe das Problem, „dass die Staatsanleihen mehrerer Euroländer nicht als sichere Aktiva angesehen werden“ – nach Analyse des IMK eine gefährliche Sollbruchstelle für den Euro. Als Absicherung befürworten die Ökonomen Vorschläge, Staatsanleihen der Eurozone zu bündeln und in mehreren Tranchen als neue Wertpapiere herauszugeben. Für die risikoreichste Tranche sollten die Euroländer gemeinsam garantieren. Zudem sei es derzeit alternativlos, dass die Europäische Zentralbank die Zinsen nahe bei null belässt und Staatsanleihen nachkauft.

  • Die Solidaritätsbeitrag hat hat eine soziale Umverteilungswirkung wie kaum eine andere Steuerart. Zur Grafik

Sozialbeiträge senken statt Soli streichen

Außer Brexit und den Schwachstellen des Eurosystems sorgt auch der Handelskonflikt mit den USA für Verunsicherung. Trotzdem  sind die IMK-Forscher mit Blick auf die deutsche Konjunktur eher optimistisch. Der nach wie vor anhaltende Aufschwung sei nicht zuletzt einer „gewissen Normalisierung der Lohnentwicklung“ geschuldet, schreiben die Ökonomen. Anders als in den Nullerjahren leisteten kräftigere Einkommenssteigerungen bei vielen Arbeitnehmern heute „einen wesentlichen Beitrag zur Binnennachfrage“. Die Bundesregierung habe mit dem Mindestlohn und ersten gesetzlichen Maßnahmen zur Stärkung des Tarifvertragssystems zu dieser positiven Entwicklung beigetragen, so das IMK. Dieser Weg sollte durch eine „wirkliche und nachhaltige Stärkung der kollektiven Lohnfindung“ und zeitweilig stärkere Anhebungen des Mindestlohns fortgesetzt werden. Auch die Einschränkung von sachgrundlosen Befristungen und die Brückenteilzeit seien richtig, um den Trend zur „Zerklüftung“ auf dem Arbeitsmarkt zu stoppen.

Die Ökonomen begrüßen zudem die Aufstockung öffentlicher Investitionen sowie das 2019 in Kraft tretende Familienentlastungsgesetz, das vor allem Haushalten mit kleineren oder mittleren Einkommen zugutekomme. Insgesamt setze der Staat in diesem Jahr einen positiven fiskalischen Impuls von knapp 20 Milliarden Euro, der ebenfalls die inländische Nachfrage stärke.

Für einen Fehler halten die Wissenschaftler dagegen die geplante Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Diese wäre mit jährlichen Ausfällen von zunächst 10, später 20 Milliarden Euro nicht nur teuer, sie würde auch zum größten Teil lediglich den einkommensstärksten Haushalten zugutekommen.

Besser wäre es, den „Soli“ künftig in den Einkommenssteuertarif zu integrieren „und die Mittel, die bisher für eine Entlastung der Besserverdienenden und Unternehmen vorgesehen sind, den Sozialversicherungen zukommen“ zu lassen. Würden die Einnahmen aus dem „Soli“ dazu genutzt, die Sozialversicherungen bei sinnvollen, aber versicherungsfremden Leistungen zu entlasten, könnten die Beiträge in einem ersten Schritt um 0,7 bis 0,8 Prozentpunkte sinken, rechnen die IMK-Experten vor. Da Sozialbeiträge ab einem deutlich geringeren Einkommen anfallen als die Einkommenssteuer und erst recht der Solidaritätszuschlag, würden von der Entlastung besonders untere Einkommensgruppen profitieren.

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