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HBS Böckler Impuls

Europäische Währungsunion: Stabilisator für Euro-Wirtschaft

Ausgabe 02/2010

Ein außenwirtschaftlicher Stabilitätspakt könnte allen Ländern der Eurozone ein ausgewogeneres Wachstum bringen - und künftige Wirtschaftskrisen vermeiden helfen.

Nachrichten über eine finanzielle Schieflage in Euroländern wie Griechenland, Irland oder Portugal lassen immer wieder Zweifel an der Architektur der europäischen Währungsunion aufkommen. Wie sie robuster werden kann, skizzieren

Sebastian Dullien und Daniela Schwarzer: durch eine Überwachung der nationalen Außenhandelsdefizite und -überschüsse. Ein solcher außenwirtschaftlicher Stabilitätspakt könnte das bestehende Regelwerk des Euroraums ergänzen, so der Wirtschaftsprofessor an der HTW Berlin und die Forscherin der Stiftung Wissenschaft und Politik. Die Einhaltung der Vorgaben wäre eine weitere Bedingung für künftige Erweiterungen der Eurozone.

Die Wirtschaftskrise hat zwei grundsätzliche Probleme der europäischen Währungsunion zutage treten lassen, legen die Wissenschaftler dar:

1. Stark steigende Staatsverschuldung in einer Reihe von Mitgliedstaaten. Selbst Länder, deren Finanzen bis vor kurzem als stabil galten, sind aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise in Schwierigkeiten geraten. Irlands Gesamtverschuldung beispielsweise wird 2010 nach den jüngsten Schätzungen der EU-Kommission fast 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen; noch 2008 hatte sie einen Wert von knapp 30 Prozent erwartet.

Die Diskrepanz kommt zustande, weil die EU den Einfluss von Schulden der Privatwirtschaft auf die Staatsfinanzen nicht abschätzen kann. Doch in der aktuellen Finanzkrise muss die irische Regierung viel Geld in die Banken pumpen, um deren Zusammenbruch zu verhindern. Das treibt die Staatsschulden in die Höhe. Da die Euroländer finanziell und wirtschaftlich eng miteinander verbunden sind, kann die steigende Verschuldung in einem Staat ernsthafte Folgen für die anderen haben. Würde ein Land zahlungsunfähig, müssten die restlichen Mitglieder der Eurozone dessen Schulden übernehmen - und damit indirekt die Schulden der Banken.

2. Mangelnde Koordinierung der nationalen Wirtschaftspolitik. Bereits vor dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise hat sich die Wettbewerbsfähigkeit der Euroländer auseinander entwickelt: In Spanien, Portugal und Griechenland speiste sich das Wirtschaftswachstum in den vergangenen Jahren in erster Linie aus steigendem Konsum und Bauaktivitäten. Dies führte zu kräftigen Importen - und in der Folge einem Aufreißen der Defizite. Deutschland entwickelte sich in die entgegengesetzte Richtung: Der private Konsum stagnierte weit gehend, Wachstum brachte der Export. So entstanden immer größere Überschüsse.

Auch aus diesem Grund sind einige südeuropäische Länder wie Italien oder Spanien von der Krise stärker betroffen. Die wachsenden Ungleichgewichte im Außenhandel innerhalb der Eurozone ließen die Auslandsschulden der Defizitländer immer weiter anschwellen: in Spanien bis zum Jahr 2007 auf 76,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. In Deutschland, den Niederlanden oder Finnland hingegen wuchsen die Leistungsbilanzüberschüsse stetig.

Die Lösung: Ein außenwirtschaftlicher Stabilitätspakt

Die Überwachung der nationalen Auslandsschulden wäre deshalb eine sinnvolle Ergänzung der fiskalischen Regeln, so Dullien und Schwarzer. In der Währungsunion würde festgelegt, dass kein Euroland ein Leistungsbilanz-Ungleichgewicht von mehr als drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufweisen darf, weder als Defizit noch als Überschuss. Ähnlich wie bei dem bestehenden Stabilitätspakt müsste eine Verletzung der Regeln automatisch zu Sanktionen führen.

Jeder Mitgliedstaat der Währungsunion wäre damit verpflichtet, die nationale Wirtschaftspolitik auf das Erreichen eines außenwirtschaftlichen Gleichgewichts auszurichten. Das betrifft neben der Fiskal- auch die Lohnpolitik: Hier können die Regierungen über die nationale Gesetzgebung und Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst zum Gleichgewicht beitragen. Dabei würden keine Kompetenzen nach Europa verlagert; die Gestaltung der Politik bliebe auf nationaler Ebene.

Für Beitrittskandidaten wäre die Einführung des Euro zwar noch etwas schwieriger. "Dies sollte jedoch nicht als Abschottungsversuch der Altmitglieder interpretiert werden", merken die Forscher an. Vielmehr würde der Pakt die Euro-Neulinge vor den hohen Kosten einer übereilten Währungsumstellung schützen: Wer mit einem klaren außenwirtschaftlichen Defizit der Währungsunion beitritt, dem drohen vermehrte Arbeitslosigkeit und Wachstumsverluste.

  • Bereits vor dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise hat sich die Wettbewerbsfähigkeit der Euroländer auseinander entwickelt. In Deutschland speiste sich das Wirtschaftswachstum aus dem Export, die Überschüsse wuchsen. Spanien, Italien und Portugal importierten kräftig, was zu großen Defiziten führte. Zur Grafik

Sebastian Dullien, Daniela Schwarzer: The EMU needs a stability pact for intraregional current account imbalances, in: Andreas Botsch, Andrew Watt (Hrsg.): After the crisis: towards a sustainable growth model, ETUI Conference reader, 13. Januar 2010; dies: Die Eurozone braucht einen außenwirtschaftlichen Stabilitätspakt (pdf), SWP-Aktuell 27, Juni 2009

 

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