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HBS Böckler Impuls

Gleichstellung: Selbst ist der Mann

Ausgabe 09/2005

Das traditionelle Männerbild ist zumindest in deutschen Köpfen fest verankert. Männer erwarten keine Unterstützung von der Politik oder vom Arbeitgeber, wenn sie ihr Verhältnis zwischen Arbeit und Privatleben neu definieren. Sie zimmern sich ein alternatives Lebensmodell, opfern die Karriere - und fühlen sich wohl dabei.

Immer mehr Männer arbeiten Teilzeit oder machen sogar Erziehungspause. Das EU-Projekt "Work Changes Gender" sollte klären, ob sich dadurch das Männerbild der Gesellschaft ändert - und ob Männer von Gleichstellungspolitik profitieren. Die Forscher befragten 140 freiwillig Teilzeit Arbeitende aus Norwegen, Spanien, Deutschland, Österreich, Bulgarien und Israel.

Eine unbefristete Vollzeitstelle hat nur noch weniger als die Hälfte der erwerbsfähigen Männer. Zu einem neuen Männerbild hat das bisher nicht geführt. Noch immer stellt sich die Gesellschaft einen richtigen Mann so vor: belastbar, stets funktionierend, karriereorientiert, ein Ernährer und Beschützer. Dazu passen Teilzeit und Arbeitslosigkeit nicht, und schon gar nicht das Wechseln von Babywindeln. Genau das tun aber immer mehr Männer - freiwillig.

Teilzeit ist Karrierekiller

Ohne Vollzeitjob kein Platz im Chefsessel. Die nach wie vor patriarchale Arbeitskultur schubst Teilzeitkräfte von der Karriereleiter. Informationen landen nicht auf ihrem Schreibtisch, Entscheidungen werden getroffen, wenn sie frei haben. In Deutschland gelten Männer, die freiwillig (teil-)aussteigen, als Exoten. "In dem Moment, wo du auf Teilzeit gehst, bist du karrieremäßig tot", sagt einer der Befragten. Den Verlust an Ansehen, Macht und Einkommen nehmen sie bewusst in Kauf. Auf mehr Verständnis können allein Männer hoffen, deren Chef selbst eine ungewöhnliche Laufbahn hat.

Deutschland und Österreich sind besonders konservativ. Vätern, die ihre Kinder betreuen, fehlt Anerkennung. Auf dem Spielplatz, allein unter Müttern, fühlen sie sich deplatziert. Das ausgeprägt traditionelle Familienbild - Mann im Büro, Frau in der Küche - kollidiert heftig mit ihrem Selbstwertgefühl. Das ist in anderen Ländern anders: Bulgaren sehen Kinderbetreuung ganz pragmatisch, weil Mütter dort schon immer berufstätig sind. Ihr Selbstbild ist durch das Zuhausebleiben nicht in Gefahr. Norwegen zeigt, wie ein neues Leitbild für Väter entsteht. Dort nehmen heute 90 Prozent der Männer Erziehungsurlaub, beim zweiten und dritten Kind länger als beim ersten, weil die Familie ihnen immer wichtiger wird. Und der Staat fördert das.

Das Männerbild der meisten Befragten ist jedoch traditionell, denn die Gesellschaft gesteht ihnen ein individuelles Selbstverständnis noch nicht zu. Trotz beruflicher und privater Schwierigkeiten sind Männer, die sich für ein anderes Verhältnis zwischen Arbeits- und Privatleben entschieden haben, aber zufrieden.

Fazit der Studie: Obwohl Gender Mainstreaming Frauen und Männer betrifft, werden Männer selten als Zielgruppe betrachtet. Sie selbst kommen ebenfalls nicht auf die Idee, Gleichstellungsmaßnahmen zu fordern, setzen vielmehr auf individuelle Lösungen. Einige wenige der untersuchten Organisationen sind auf dem richtigen Weg - bei ihnen ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht mehr ans Geschlecht gebunden, die Work-Life-Balance gilt für alle.

  • Das traditionelle Männerbild ist zumindest in deutschen Köpfen fest verankert. Männer erwarten keine Unterstützung von der Politik oder vom Arbeitgeber, wenn sie ihr Verhältnis zwischen Arbeit und Privatleben neu definieren. Sie zimmern sich ein alternatives Lebensmodell, opfern die Karriere - und fühlen sich wohl dabei. Zur Grafik

Stephan Höyng, Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin, Beitrag für eine Konferenz der Hans-Böckler-Stiftung, Januar 2005
Thesenpapier zum Vortrag von Prof. Dr. Stephan Höyng (pdf) 

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