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HBS Böckler Impuls

Finanzinvestoren: Rechtliche Grenzen für Firmenkäufer

Ausgabe 20/2006

Finanzinvestoren kaufen Unternehmen auf Pump, anschließend bürden sie ihnen die Schuldenlast auf. Dieses Vorgehen kann florierende Firmen an den Rand der Insolvenz bringen. Doch nicht alle Übernahme-Praktiken sind rechtlich einwandfrei.

Die Zahl der kreditfinanzierten Unternehmensübernahmen in Deutschland nimmt seit 2004 stark zu. Beim so genannten Leveraged Buy Out (LBO) setzt der Investor das Fremdkapital als Hebel (lever) ein: Solange der Zins, der für ein Darlehen gezahlt werden muss, kleiner ist als die Rendite aus dem Unternehmenskauf, steigert das seinen Profit. Deshalb haben die niedrigen Zinsen in den vergangenen Jahren den LBO lukrativer gemacht. In Extremfällen haben manche Private-Equity-Fonds ihre Transaktionen zu 90 Prozent mit Fremdkapital bezahlt, wie Frank Schäffler, Rechtsanwalt in Stuttgart, beobachtet.

Das Risiko ist für die Firmenkäufer gering, weil sie den Kredit oft mit dem Vermögen des erworbenen Unternehmens absichern können. In der Praxis holen sie sich den Kaufpreis zügig zurück - aus Mitteln des Unternehmens. Meist schadet das Beschäftigten und Fiskus: Die Zinsaufwendungen für die Schulden werden mit den Unternehmenserträgen verrechnet, das mindert den Steueraufwand. Und wenn der Investor Eigenkapital abzieht, kann dem Unternehmen bald "die Substanz fehlen, um eine Krisensituation durchzustehen", so Schäffler. Der Jurist hat in einem Gutachten untersucht, ob das Vermögen der erworbenen Gesellschaft in unbegrenztem Umfang zur Finanzierung der Kaufpreisschulden genutzt werden darf. Seine Antwort: nicht immer. Es gibt rechtliche Grenzen für den Leveraged Buy Out - je nach dem, wie er durchgeführt wird.

Beim Merger Buy Out gründet der Investor eigens zu diesem Zweck eine Gesellschaft, die so genannte Akquisitionsgesellschaft (A). Die A bekommt vom Private-Equity-Fonds etwas Eigenkapital und nimmt zusätzlich ein großes Darlehen auf. Damit erwirbt sie die Zielgesellschaft (Z). Nun verschmelzen beide Gesellschaften, die Z löst sich auf. Danach genießt die erloschene Z keinerlei rechtlichen Schutz mehr.

Debt Push Down bezeichnet das umgekehrte Verfahren. Wieder wird eine Akquisitionsgesellschaft gegründet, sie übernimmt mit wenig Eigen- und viel Fremdkapital die Zielgesellschaft. Bei der Verschmelzung geht nun jedoch die A unter. Die A bringt vor allem Schulden in die Fusion: Die werden auf die Z übertragen (push down). In diesen Fällen kann der Investor nicht beliebig Schulden anhäufen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit einem Urteil im November 2003 klargestellt: Es gibt ein Limit für Zahlungen an Eigentümer. Laut Kapitalerhaltungs-Grundsatz (Paragraf 30 GmbH-Gesetz) darf eine GmbH das zur Erhaltung ihres Stammkapitals erforderliche Vermögen nicht an die Gesellschafter auszahlen. Auch gebundene Rücklagen sollen nicht angetastet werden. Im Streitfall hatte eine GmbH ein Darlehen von 850.000 Mark an einen Gesellschafter vergeben, anschließend musste sie Insolvenz anmelden. Auch wenn die GmbH den Rechtsanspruch hatte, das geliehene Geld zurückzuerhalten - ein derart hohes Darlehen sei nicht zu rechtfertigen, erklärte der BGH.

Das Prinzip gilt auch für Aktiengesellschaften (AG). Die AG darf mit Ausnahme des Bilanzgewinns keine Einlagen an die Gesellschafter zurückzahlen. Nach Paragraf 71a Aktiengesetz ist "die Gewährleistung eines Darlehens durch die Zielgesellschaft an die Akquisitionsgesellschaft nichtig, wenn mit der Darlehensvaluta der Erwerb von Aktien der Zielgesellschaft finanziert werden soll". Vorstände oder Manager der Zielgesellschaft können bei einem Verstoß gegen das Kapitalerhaltungsgebot haftbar gemacht werden, gefährden sie das Unternehmen durch zu hohe Kredite. Es ist dann möglich, sie strafrechtlich wegen Untreue zu belangen oder zivilrechtlich zum Schadensersatz zu verpflichten. Die Haftung kann auch die Gesellschafter treffen.

Ein Unternehmen darf seinen Erwerb nicht selbst schrankenlos finanzieren - das ergibt sich aus dem BGH-Urteil. Wenn das Zielunternehmen weiter existiert, wie es bei einem LBO nach der Debt-Push-Down-Variante der Fall ist, steht es unter dem Schutz des Kapitalerhaltungs-Grundsatzes. Ist es rechtlich erloschen - wie beim Merger Buy Out -, dann gelten die gesetzlichen Schutzvorrichtungen nur noch für die Akquisitionsgesellschaft.

  • Eine Übersicht, warum Finanzinestoren bei so vielen Firmenkäufen zum Zug kommen. Zur Grafik

brigiFrank Schäffler: Die Grenzen der Nutzung des Vermögens der Zielgesellschaften bei der Finanzierung von LBO-Transaktionen,
in: Der Betriebsberater, 48/2006, Beitrag auf Basis eines Rechtsgutachtens für die IG Metall

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