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Positive Anreize setzen Böckler Impuls

Transformation: Positive Anreize setzen

Ausgabe 08/2024

Die sozialökologische Transformation kommt nicht von selbst. Der Staat muss Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger massiv unterstützen, um eine gerechte, wettbewerbsfähige und klimaneutrale Volkswirtschaft zu schaffen.

Das deutsche Wohlstandsmodell steht vor großen Veränderungen. Was die Sache schwierig macht: Bevor die aktuellen Krisen aufzogen, war die deutsche Wirtschaft wettbewerbsfähig und recht erfolgreich. Viele wünschen sich daher frühere Zeiten zurück und sträuben sich dagegen, Unsicherheiten, Belastungen und gar Rückschläge hinzunehmen, um sich für kommende Herausforderungen zu wappnen. Seien es Unternehmen, die teure Produktionsumstellungen scheuen, oder Verbraucherinnen und Verbraucher, die lieber billiges Gas als eine teure Wärmepumpe hätten. Angesichts von Klimakrise, internationalen Konflikten und dem Ende einer Globalisierung, die stets reibungslosen Nachschub an Energie, Rohstoffen und Gütern versprach, gibt es aber kein Zurück. Das führt zu starker Verunsicherung und stellt die Wirtschaftspolitik vor erhebliche Herausforderungen, schreibt der frühere IMK-Direktor Gustav Horn in einer Analyse.

In einem Land mit starker Industrieproduktion und Weltmarktposition wie Deutschland müssen, so Horn, „technologische Innovationen schneller als anderenorts erfolgen“, wenn die Marktvorteile im globalen Maßstab bestehen bleiben sollen. Das erfordert massive Investitionen, einen realistischen Blick auf das außenwirtschaftliche Umfeld, in dem machtpolitische Argumente eine immer größere Rolle spielen als die Freihandelsidee, und Ausgaben, die die Gesellschaft zusammenhalten. 

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Abstrakt befürworten weite Teile der Bevölkerung den ökologischen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft. Wenn es konkret wird, stellt sich jedoch ein gravierendes Problem: Kosten, Aufwand und der Verzicht auf liebgewonnene Routinen belasten viele Menschen massiv, der Nutzen ist aber nicht unmittelbar spürbar – und stellt sich auch nur dann ein, wenn alle anderen ebenfalls ihre Ökobilanz verbessern. Selbst die EU als Ganzes kann die Klimakrise nicht verhindern, wenn andere Länder nicht mitziehen. Genau genommen wäre es individuell sogar die bequemste Lösung, wenn alle anderen Maßnahmen zum Klimaschutz ergreifen, nur man selbst nicht. Dieses Dilemma erfordert staatliche Eingriffe, der Markt löst es nicht, so Horn.

Auch wirtschaftspolitische Instrumente, die allein darauf setzen, potenzielle Klimakosten in den Marktpreisen abzubilden, könnten sich als erfolglos erweisen – oder sogar als schädlich, wenn sie nicht gut flankiert werden, fürchtet der Ökonom. Das betrifft ein wesentliches Element der Klimaschutzpolitik in der EU: den Handel mit CO₂-Zertifikaten. Fraglich ist Horn zufolge, ob dieser Mechanismus allein die Unternehmen dazu bringt, rechtzeitig in neue Technologien zu investieren – und ob die zusätzlichen Kosten, wenn sie nicht anderweitig kompensiert werden, die Konkurrenzfähigkeit der Exportindustrie nicht zu stark beeinträchtigen. Schließlich sehe man sich heute am Weltmarkt Volkswirtschaften gegenüber, die mit massiver staatlicher Förderung um Marktanteile kämpfen, etwa China und den USA. Zudem ist die Entwicklung der CO₂-Preise schwer vorherzusagen, wenn die Emissionszertifikate an einer Börse gehandelt werden. Erratische Preisschwankungen könnten Unternehmen dazu verleiten, erst einmal abzuwarten und auf Klimainvestitionen zu verzichten. Im ungünstigsten Fall verschmutzen sie nicht nur weiter die Umwelt, sondern verlieren auch technologisch den Anschluss. 

Stark schwankende CO₂- und damit Energiepreise können auch Inflationsschübe auslösen, was gerade Haushalte mit geringen Einkommen belastet. Zudem reagiert die Konjunktur in der Regel sehr empfindlich auf schwankende Energiekosten, was leicht zum Verlust von Arbeitsplätzen und Wohlstand führt.

Das reine „Wirkenlassen von Marktsignalen“, auch wenn es von sozialen Maßnahmen wie der Einführung eines Klimagelds flankiert wird, ist Horn zufolge daher „mit hohen Risiken verbunden“. Um den Umbau der Wirtschaft in Gang zu bringen „sollten positive Anreize für den Umstieg in den Vordergrund treten“. Das heißt: Nicht nur umweltschädliches Verhalten teurer machen, sondern direkt Investitionen in klimaneutrale Technologien fördern. Das beschleunige den Umstieg, reduziere Unsicherheit und vermindere das Risiko, Wettbewerbsfähigkeit einzubüßen. So könne am ehesten vermieden werden, dass sich „Arbeitslosigkeit, Inflation oder Verteilungskämpfe als Hindernisse auftürmen, deren Überwindung mindestens Verzögerungen bewirken, wenn nicht gar verhindern, die Ziele überhaupt zu erreichen“. Den Kern der vorgeschlagenen Strategie könnte ein staatlicher Fonds bilden, der private Investitionen mitfinanziert, die klimaschonender Produktion dienen, die Digitalisierung beschleunigen und die „die Resilienz gegenüber geopolitischen Konflikten stärken“.

Dazu kommen müssten Ausgaben, „die den gesellschaftlichen Zusammenhalt, insbesondere die Verteilungsgerechtigkeit stärken“. Dazu zählen etwa Ausgaben für die Daseinsvorsorge, den Wohnungsmarkt und das Bildungssystem.

Gustav A. Horn: Wirtschaftspolitik in der Zeitenwende, Working Paper der HBS-Forschungsförderung, April 2024
 

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