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HBS Böckler Impuls

Finanzkrise: Ohne Regulierung droht Stress

Ausgabe 14/2018

Nicht wenige Experten warnen vor einer neuen Finanzkrise. Doch die Situation heute ist nicht mit der vor zehn Jahren vergleichbar. Das zeigt ein neuer Frühwarnindikator.

Vor zehn Jahren ging die Investmentbank Lehman Brothers pleite. Die Schockwellen erfassten nicht nur die Finanzmärkte. Die gesamte Wirtschaft stürzte in eine tiefe, lang andauernde Rezession. Es war der Beginn der größten Wirtschaftskrise seit den 1930er-Jahren. Wie groß ist die Gefahr, dass sich eine solche Krise wiederholt? Und sind Ökonomen heute – anders als vor zehn Jahren – in der Lage, einen Crash besser vorherzusagen? Das IMK hat einen Indikator entwickelt, der Stress an den Finanzmärkten misst – und als Frühwarnsystem für aufkommende Gefahren dient.

Der „IMK-Finanzmarktstressindikator“ fasst 30 verschiedene gewichtete Zeitreihen von Finanzdaten wie zum Beispiel Aktienkursen, Immobilienpreisen sowie Risikoprämien von Anleihen oder Kreditausfallversicherungen zusammen. Jede einzelne dieser Variablen sei zwar für sich genommen von begrenzter Aussagekraft, schreiben die Ökonomen. Gebündelt ließen sich daraus jedoch „belastbare Aussagen für die Wahrscheinlichkeit von Finanzmarktkrisen gewinnen“. In den IMK-Finanzmarktstressindikator fließen Echtzeitdaten ein, sodass er stets ein aktuelles Bild der Lage an den Märkten liefert. Mithilfe zurückliegender Daten ist es aber  auch möglich, den Stressindikator für frühere Jahre zu berechnen und so in die Vergangenheit zu blicken.

Im Rückblick fällt auf: Bereits für November 2007 zeigt der Stressindikator einen Ausschlag nach oben. „Man hätte zu jenem Zeitpunkt, wäre der Indikator seinerzeit verfügbar gewesen, zumindest größere Probleme erwarten, wenn auch noch nicht deren volles Ausmaß erfassen können“, so die Forscher. Spätestens ab Februar 2008 hätte sich dann der drohende Crash deutlich abgezeichnet. Den vorläufigen Höchststand erreichte der Stressindikator im September, dem Monat der Lehman-Pleite.

Verglichen damit befinden sich die Finanzmärkte heute „in sehr ruhigem Fahrwasser“. Es gibt keinerlei Anzeichen für erhöhten Stress. Inwieweit aktuell niedrige Stresswerte mit einer besseren Finanzmarktüberwachung zusammenhängen, sei schwierig nachzuweisen: Zwar hätten die von Politik, Zentralbanken und Regulierungsbehörden nach der Finanzkrise ergriffenen Maßnahmen die Märkte sicherer gemacht, die Regulierung müsse aber ständig weiterentwickelt werden. Zudem seien manche der lange geplanten Regulierungsvorhaben noch nicht vollständig umgesetzt worden, in den USA wird die Regulierung teilweise sogar wieder zurückgenommen. Und in Europa kommt der Aufbau eines sicheren Finanzsystems nur schleppend voran. „Es besteht also auch zehn Jahre nach der Krise kein Anlass, sorglos zu werden“, schreiben die Ökonomen. Sollten sich erste Anzeichen für Unruhe an den Finanzmärkten zeigen, wird man diese am IMK-Stressindikator ablesen können. Er kann jederzeit wieder ausschlagen.

  • Verglichen mit 2008 befinden sich die Finanzmärkte heute „in sehr ruhigem Fahrwasser“. Zur Grafik

Hätte Deutschland die Finanzkrise ohne Konjunkturpakete genauso gut gemeistert? Eine Studie des IMK (pdf) zeigt, dass die Konjunkturprogramme einen wesentlichen Beitrag zur Überwindung der Krise geleistet – und darüber hinaus sogar das Wachstum der deutschen Volkswirtschaft langfristig erhöht haben. Es habe sich gezeigt, dass die Fiskalpolitik „wesentlich wirksamer ist als vor den Krisen angenommen“, schreiben die Ökonomen. In Krisenzeiten auf zusätzliche Staatsausgaben zu verzichten, sei „weder sinnvoll noch durchzuhalten“. Entscheidend sei allerdings das richtige Timing. 

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