zurück
Mehr Schlagkraft durch Arbeitsteilung Böckler Impuls

Betriebsräte: Mehr Schlagkraft durch Arbeitsteilung

Ausgabe 02/2019

Die Existenz von Gesamt-, Konzern- oder Eurobetriebsräten führt nicht zu einer Entwertung der lokalen Betriebsräte.

Noch Anfang der 1980er-Jahre waren Gesamt- und Konzernbetriebsräte lediglich „eine Angelegenheit für Betriebsräte in wenigen herausragenden Großunternehmen“, so WSI-Forscher Martin Behrens in einer aktuellen Untersuchung. Eurobetriebsräte gab es damals ohnehin noch nicht. Doch heute hat sich die Situation dem Wissenschaftler zufolge grundlegend geändert. Ausweislich der – für private Betriebe ab 20 Beschäftigten repräsentativen – WSI-Betriebsrätebefragung ist heute beinahe jeder zweite Betriebsrat Teil einer komplexen Struktur mit mindestens zwei Mitbestimmungsebenen. Dies dürfte unter anderem eine Folge „filialisierter“ Unternehmensstrukturen und Ausgliederungen sein. Durch die zusätzlichen Gremien bleibt die Arbeitnehmervertretung auf Augenhöhe mit den Managementebenen, auf denen die zentralen Entscheidungen fallen.

Aber wie wirken sich die Strukturveränderungen auf die Praxis der Mitbestimmung aus? Nehmen die „höheren“ Gremien den lokalen Betriebsräten das Heft aus der Hand oder erhöht Arbeitsteilung die Effizienz? Entfernen sich Betriebsräte, die umfangreiche Apparate im Unternehmen aufgebaut haben, von den Gewerkschaften, weil sie deren Unterstützung nicht mehr benötigen? Dem ist Behrens mithilfe von Informationen aus verschiedenen Jahrgängen der Betriebsrätebefragung nachgegangen.

In der Tat zeigt sich dabei, dass Gesamtbetriebsräte einen guten Teil der Arbeit an sich ziehen und auf allen betrieblichen Themenfeldern aktiv sind. Lediglich in Fragen der Arbeitszeit, Eingruppierung und konkreter Personalpolitik sind mehrheitlich die örtlichen Betriebsräte für die Aushandlung von Betriebsvereinbarungen zuständig. Das heißt jedoch nicht, dass die lokale Ebene bei anderen Themen nichts mehr zu melden hätte, betont Behrens. Im Gegenteil: Der Vergleich von „Solo-Betriebsräten“ und örtlichen Arbeitnehmervertretungen, die einen Konzern- oder Gesamtbetriebsrat im Rücken haben, zeigt, dass Letztere sogar mehr Themen bearbeiten. Offenbar wird die Betriebsratsarbeit durch die Arbeitsteilung eher professioneller, folgert der WSI-Forscher.

Zudem stärke die Mitbestimmung auf mehreren Ebenen die Schlagkraft der Arbeitnehmervertretungen. So kommen hier häufiger „robuste Mittel“ wie Einigungsstellen- und Gerichtsverfahren gegen den Arbeitgeber zum Einsatz. Durchsetzungsstarke Arbeitnehmervertreter in komplexen Mitbestimmungsstrukturen legen den Erhebungen zufolge auch ein erhebliches Selbstbewusstsein an den Tag. Sie geben seltener als Angehörige von Solo-Betriebsräten an, sich „als Vertretung der Gewerkschaft im Betrieb“ zu verstehen. Andererseits ist ein größerer Teil von ihnen Gewerkschaftsmitglied. Das spricht Behrens zufolge nicht für eine „Entfremdung von den Gewerkschaften“.

  • Heute ist beinahe jeder zweite Betriebsrat Teil einer komplexen Struktur mit mindestens zwei Mitbestimmungsebenen. Zur Grafik

Martin Behrens: Zentralisierung der Mitbestimmung? Betriebsratsarbeit in Betrieb, Unternehmen und Konzern; in: Thomas Haipeter u.a. (Hrsg.): Vernetzt und verbunden – Koordinationsprobleme im Mehrebenensystem der Arbeitnehmervertretung, Springer VS 2019

Impuls-Beitrag als PDF

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrerm Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen