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Manche kommen schwer über die Runden Böckler Impuls

Auszubildende: Manche kommen schwer über die Runden

Ausgabe 13/2022

Knapp 1200 oder unter 600 Euro – die Unterschiede bei den Ausbildungsvergütungen im ersten Jahr sind erheblich. In manchen Branchen müssen Unternehmen angesichts von steigenden Lebenshaltungskosten und Fachkräftemangel deutlich mehr bieten.

Die tarifvertraglichen Vergütungen für Auszubildende unterscheiden sich einer Auswertung des WSI-Tarifarchivs zufolge stark: In mehreren untersuchten Tarifbranchen liegen sie im ersten Ausbildungsjahr oberhalb von 1000 Euro pro Monat. In manchen Tarifbranchen wird dagegen weniger als 800 Euro im Monat gezahlt. Die Spannbreite im ersten Jahr reicht von 585 Euro im thüringischen Friseurhandwerk bis zu 1191 Euro in der Pflege (Öffentlicher Dienst Bund, Gemeinden). In den folgenden Ausbildungsjahren steigen die Beträge zwar überall an, die Abstände zwischen den Branchen bleiben aber weitgehend bestehen oder vergrößern sich noch.

„In einigen Branchen ist das Niveau der Ausbildungsvergütung nach wie vor sehr niedrig“, sagt Thorsten Schulten, Tarifexperte des WSI. Angesichts der hohen Preissteigerung hätten es derzeit viele Auszubildende schwer, mit ihrem Einkommen über die Runden zu kommen, vor allem wenn sie aus einkommensschwachen Familien stammen. „Deshalb müssen die Ausbildungsvergütungen gerade in den klassischen Niedriglohnbranchen weiter angehoben werden“, so Schulten. Eine deutliche Verbesserung der Ausbildungssituation und der Vergütung sei aber auch im Interesse der Unternehmen, denn nur so könnten sie dem zunehmenden Fachkräftemangel etwas entgegensetzen.

In vielen Branchen sind die Vergütungen in den westdeutschen Tarifgebieten nach wie vor höher als in den ostdeutschen. Relativ klein ist die Differenz in der chemischen Industrie und der Metall- und Elektroindustrie. Dort liegen die ostdeutschen Auszubildenden 10 Euro beziehungsweise 30 Euro pro Monat unter ihren Kollegen und Kolleginnen im Westen – wobei es auch innerhalb Westdeutschlands regionale Unterschiede gibt. Die größten Ost-West-Unterschiede existieren mit 165 Euro beziehungsweise 169 Euro im Monat in der Textilindustrie und im Kfz-Handwerk. In zwei Branchen – der Landwirtschaft und der Süßwarenindustrie – liegen die ostdeutschen Ausbildungsvergütungen mittlerweile sogar leicht oberhalb des Niveaus im Westen.

„Die aktuellen tarifvertraglichen Ausbildungsvergütungen werden in der Regel im Rahmen der allgemeinen Tarifverhandlungen verhandelt“, sagt Schulten. „Damit hängen sie auch mit der Verhandlungsposition der jeweiligen Gewerkschaft zusammen, die von Branche zu Branche sehr unterschiedlich ist. Dementsprechend existieren bei der Höhe der Ausbildungsvergütungen erhebliche Unterschiede.“ In Branchen ohne Tarifverträge ist die Lage aber oft noch schwieriger. Hier haben Auszubildende lediglich Anspruch auf die gesetzliche Mindestausbildungsvergütung von 585 Euro im ersten Ausbildungsjahr. „Auch deshalb ist es wichtig, die Tarifbindung allgemein zu stärken“, so der Experte.


Hier geht es zur Datenbank des WSI-Tarifarchivs mit aktuellen Ausbildungsvergütungen für 26 Tarifbranchen und alle Ausbildungsjahre.

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