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HBS Böckler Impuls

Mitbestimmung: Kürzere Arbeitszeiten mit Betriebsrat

Ausgabe 04/2010

Arbeitnehmer und Arbeitgeber haben oft unterschiedliche Interessen bei der Arbeitszeitgestaltung. In Betrieben mit Betriebsräten und Tarifbindung gelingt es am besten, diesen Konflikt zu bewältigen.

Der erstaunlich robuste deutsche Arbeitsmarkt in der Wirtschaftskrise hat es bestätigt: Die Arbeitszeit ist eine wesentliche Stellschraube für das Beschäftigungsniveau. Abbau von Guthaben auf Zeitkonten, tarifliche Arbeitszeitverkürzung, Reduktion bezahlter Überstunden und Kurzarbeit - insgesamt haben solche Arbeitszeitverkürzungen 2009 rechnerisch 1,2 Millionen Arbeitsplätze gesichert, kalkuliert das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). 

Länge und Lage der Arbeitszeit entscheiden auch darüber, ob sich Arbeit und Familie unter einen Hut bringen lassen, und sie haben Einfluss darauf, ob ein Job die Gesundheit belastet. Aus Arbeitgebersicht wiederum sind flexible Arbeitszeiten wichtig, mit denen sich die Produktion an die Auftragslage anpassen lässt. Wie sehen die Arbeitszeiten in deutschen Betrieben aus? Welchen Einfluss haben Tarifverträge und die tarifliche Mitbestimmung als regulierende Größen? Das hat Hermann Groß, Arbeitszeitexperte an der Sozialforschungsstelle Dortmund im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung untersucht. Die Datenbasis lieferte eine repräsentative Befragung in mehr als 1.800 Betrieben. Die Erhebung stammt aus dem Herbst 2007, ist also nicht von der Ausnahme-Situation der Wirtschaftskrise gekennzeichnet. Mit statistischen Kontrollverfahren wurde sichergestellt, dass sich die beobachteten Effekte tatsächlich auf die Wirkung von Mitbestimmung und Tarifbindung zurückführen lassen und nicht von anderen Faktoren, etwa unterschiedlichen Betriebsgrößen, beeinflusst sind. Die zentralen Ergebnisse:

Kürzere Arbeitszeiten mit Betriebsrat oder Tarif. Unabhängig von der Größe eines Betriebs oder der Branche gilt: Die Arbeitszeiten sind kürzer und es fallen weniger bezahlte Überstunden an, wenn es einen Betriebsrat gibt, im Betrieb ein Tarifvertrag gilt oder beides zusammentrifft - was in der Praxis häufig der Fall ist. So liegt die tatsächlich geleistete wöchentliche Arbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten in tarifgebundenen Betrieben mit Betriebsrat bei durchschnittlich 39,2 Stunden. Gibt es weder Tarif noch Mitbestimmung, sind es 41,5 Stunden.

Trotzdem können Betriebe mit Regulierung deutlich länger produzieren oder Dienstleistungen anbieten: Tarifgebundene Betriebe kommen auf durchschnittliche Betriebszeiten von gut 67 Stunden pro Woche. In Betrieben mit Betriebsrat sind es sogar noch drei Stunden mehr. Dagegen ist in den jeweiligen Vergleichsgruppen nach 58 bzw. 56 Stunden Schluss. Offenbar lassen sich kürzere individuelle Arbeitswochen und längere Laufzeiten im Betrieb durchaus vereinbaren.

Öfter mit Zeitkonto. Der Schlüssel dazu liegt in einer deutlich höheren Arbeitszeitflexibilität, die in Betrieben mit Betriebsrat und/oder Tarifvertrag praktiziert wird. Ablesen lässt sich das vor allem an den Daten zur Verbreitung und Ausgestaltung von Arbeitszeitkonten. Groß nennt sie das "für die Betriebszeitflexibilisierung effektivste" Instrument. In regulierten Betrieben hat mehr als die Hälfte der Beschäftigten ein solches Konto, während es in Betrieben ohne Tarif und Vertretung lediglich ein gutes Drittel ist. Gleichzeitig ist in Betrieben mit Regulierung weit häufiger klar festgelegt, wie viele Plus- oder Minusstunden maximal angesammelt werden dürfen und in welchem Zeitraum das Konto ausgeglichen werden muss. Und: In regulierten Betrieben sind mehr als doppelt so viele Zeitschulden erlaubt wie in unregulierten. "Mit dieser Möglichkeit lassen sich die kleinen und mittleren Krisen des Alltags leichter abfedern", schreibt Zeitforscher Groß. Allerdings hat die Flexibilität neben Vorteilen für einen Teil der Arbeitnehmer auch eine Kehrseite: Schichtarbeit ist in regulierten Betrieben deutlich verbreiteter. Mehr als 20 Prozent der Beschäftigten sind von dieser belastenden Arbeitszeitgestaltung betroffen, während es in der Vergleichsgruppe 10 bis 13 Prozent sind.

Insgesamt zieht Forscher Groß aber aus den Daten ein positives Resümee: "Ohne Einbußen bei Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigungsentwicklung und Arbeitszeitflexibilisierung hinnehmen zu müssen, ist das Arbeits- und Betriebszeitmanagement in regulierten Betrieben sozialverträglicher organisiert." 

  • Wo es im Unternehmen einen Betriebsrat gibt und Tarifverträge gelten, da sind die Arbeitszeiten im Schnitt etwas kürzer. Zur Grafik

Hermann Groß: Zusammenhang von Regulierung, Arbeitszeit­management und gesellschaftlicher Verantwortung, Dezember 2009

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