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HBS Böckler Impuls

Bildung: Kosten schrecken vom Studium ab

Ausgabe 11/2009

Zu wenige junge Menschen mit Hochschulreife entscheiden sich für ein Studium. Dabei spielen finanzielle Erwägungen gerade für Arbeiterkinder und Frauen eine wachsende Rolle.

Obwohl der Bedarf an hoch qualifizierten Kräften wächst, hat Deutschland im internationalen Vergleich nur wenige Studierende. Und daran ändert sich derzeit nichts. Bachelor-Studiengänge sollten zwar die Studierneigung erhöhen, doch Forschungsergebnissen zufolge ist es bislang nicht gelungen, durch kürzere und stärker praxisorientierte Studiengänge mehr junge Leute mit Hochschulreife zur Studienaufnahme zu bewegen. "Gegen die Erwartung einer steigenden Studienbereitschaft ist insgesamt ein Trend rückläufiger Studierquoten zu beobachten", berichtet Christoph Heine von der Hochschul-Informations-System GmbH (HIS). Zwischen 2002 und 2006 ging die Quote unter den Akademikerkindern mit Hochschulreife von 82 auf 75 Prozent zurück; von Studienberechtigten aus einem Nicht-Akademiker-Haushalt schrieben sich statt 67 nur noch 59 Prozent an einer Fachhochschule oder Universität ein. Heine hat in einem Gutachten für die Hans-Böckler-Stiftung den Forschungsstand zu den sozialen Ungleichheiten beim Hochschulzugang zusammengefasst.

Die Studierneigung junger Menschen wird von vielen Ursachen beeinflusst. Besonders wichtig sind die Schulnote, der soziale Hintergrund der Familie, das persönliche Umfeld und auch die Art der besuchten Schule, so der Bildungsforscher. Bei den Absolventen allgemein bildender Schulen des Jahres 2006 liegt der Anteil der Studierenden bei bis zu 81 Prozent, an beruflichen Schulen waren es dagegen maximal 63 Prozent. "Nur auf den ersten Blick überraschend liegt die Studierquote bei Studienberechtigten mit Migrationshintergrund über der von Personen ohne diesen Hintergrund", erklärt Heine. Der entscheidende Grund dafür: Die Selektion von Migrantenkindern habe bereits auf den vorhergehenden Schulstufen stattgefunden. Wer es von ihnen bis zum Erwerb der Hochschulreife geschafft hat, der will auch studieren.

Die Sorge um die Finanzierung des Studiums ist ein entscheidender Grund, warum Absolventen beruflicher Schulen, Arbeiterkinder und solche ohne akademischen Hintergrund besonders oft auf eine wissenschaftliche Ausbildung verzichten. Wenn die Eltern keine Akademiker sind, verbindet mehr als jeder Dritte mit dem Studium Geldsorgen. Hat ein Elternteil studiert, ist es nur jeder Vierte. Studienberechtigte aus akademischen Elternhäusern können häufiger mit finanzieller Unterstützung rechnen und haben darum weniger Risikoscheu bei der Entscheidung über den Werdegang nach dem Schulabschluss. Auch bei Frauen haben die Kosten einen höheren Einfluss auf die Entscheidung als bei Männern. Insgesamt gebe es "Hinweise auf ein im Jahrgangsvergleich generell steigendes Gewicht von finanziellen Überlegungen", schreibt Heine.

Wie zu erwarten, spielen Studiengebühren da mit hinein. Zwar sorgte ihre Einführung in einigen Bundesländern nicht für die befürchtete "massenhafte Abschreckung". Repräsentativen Befragungen zufolge wird nur etwa jeder Zehnte in seiner Entscheidung, ob und wo er studiert, durch die Gebühren beeinträchtigt. Aber ihre Bedeutung sei dennoch nicht zu unterschätzen, erklärt Heine. Denn ihr negativer Einfluss ist vor allem bei den Gruppen mit ohnehin unterdurchschnittlicher Studierneigung spürbar. Wenn aber die Bundesrepublik mehr Studierende möchte, dann müssten eher Barrieren ab- denn aufgebaut werden, so der Forscher. Hinzu kommt, dass die Wirkungen von Gebühren sich mit den bereits bestehenden negativen Einflüssen kombinieren und so deren Wirkung verstärken: "Der quantitativ zunächst vergleichsweise kleine Einfluss aufgrund von Studiengebühren kommt zu der herkömmlich erheblichen Selektivität bei der Studienentscheidung hinzu".

  • Akademikerkinder studieren häufiger mit dem Ziel, einen hohen gesellschaftlichen Status zu erreichen - und das spiegelt sich dann in der Wahl ihres Studienfaches. Zur Grafik

Christoph Heine: Soziale Ungleichheiten im Hochschulzugang, Gutachten für die Hans-Böckler-Stiftung, 2009

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