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 Kleine Fortschritte Böckler Impuls

Weiterbildung: Kleine Fortschritte

Ausgabe 18/2023

Das neue Gesetz zur Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung enthält Schritte in die richtige Richtung. Die nötige Qualifikationsoffensive wird es aber kaum anstoßen.

Umstellung auf erneuerbare Energien, Digitalisierung, künstliche Intelligenz: Einiges spricht dafür, dass Umwälzungen in der Arbeitswelt bevorstehen. Das heißt für die Beschäftigten, dass sie sich viel Neues aneignen müssen. Deshalb hat die Bundesregierung im Sommer ein neues Weiterbildungsgesetz aufgelegt. Katharina Ruhwedel und Stephan Simon von der Universität Halle haben in einer Studie für die Hans-Böckler-Stiftung Stärken und Schwächen des Gesetzes herausgearbeitet. Die Rechtswissenschaftlerin und der Rechtswissenschaftler haben dabei auch Stellungnahmen verschiedener Verbände und Organisationen einbezogen. Die Bilanz fällt gemischt aus: „Eine echte Kursänderung in der Aus- und Weiterbildungsförderung bleibt aus. Viele Änderungen sind aber positiv zu bewerten und gehen in die richtige Richtung.“

Das „Gesetz zur Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung“, so der vollständige Titel, besteht aus einer langen Liste von Detailänderungen im Dritten bis Elften Sozialgesetzbuch. Entsprechend vielfältig sind die Rechtsfolgen. Die wichtigsten Punkte:

Ausbildungsgarantie: Hinter diesem Schlagwort verbirgt sich eine Reihe von Einzelmaßnahmen, etwa die Förderung von sogenannten Berufsorientierungspraktika, die jungen Menschen möglichst bald nach dem Schulabschluss Einblicke in die Arbeitswelt geben sollen. Zudem werden die formalen Hürden für die Teilnahme an Einstiegsqualifizierungen gesenkt und Auszubildenen soll unter bestimmten Umständen ein Mobilitätszuschuss gewährt werden. Der Personenkreis, der Anspruch auf eine außerbetriebliche Ausbildung erwirbt, weil sich keine adäquate betriebliche Azubi-Stelle findet, wird ausgeweitet. Die Vermittlung in betriebliche Ausbildung hat für die Arbeitsagentur jedoch weiter Vorrang.

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Die Konzentration auf die betriebliche Ausbildung wird vielfach kritisiert – schließlich fehlen Fachkräfte besonders in Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialberufen, bei denen die Ausbildung schulisch organisiert ist. Insgesamt halten Expertinnen und Experten den Begriff „Ausbildungsgarantie“ angesichts der Sammlung kleinteiliger Maßnahmen für etwas hoch gegriffen. Ob die Quote der Ungelernten dadurch wesentlich reduziert werden kann, sei zweifelhaft. Nötig sei vielmehr ein „systematisches Management des Übergangs von der Schule ins Berufsleben, beispielsweise ein pädagogisch begleitetes Coaching-Angebot, eine inklusivere und differenzierte Ausgestaltung für sozial benachteiligte Jugendliche und eine bessere Ausbildungsvergütung“. Finanziert werden könne ein solches umfassendes Angebot durch einen Zukunftsfonds, der sich aus einer Umlage der Arbeitgeber speist. Das schlägt etwa der DGB vor. 

Weiterbildungsförderung für Beschäftigte: Bereits in den vergangenen Jahren wurde der Personenkreis, der für eine Weiterbildung Mittel der Arbeitsagentur in Anspruch nehmen kann, schrittweise ausgeweitet. Das neue Gesetz streicht oder vereinfacht nun bestimmte Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, und vereinheitlicht die Fördersätze. Ab dem 1. April 2024 wird die Förderung insbesondere nicht mehr davon abhängig sein, dass die Arbeitnehmenden Tätigkeiten ausüben, die in besonderer Weise „vom Strukturwandel betroffen“ sind, oder eine Weiterbildung in einem Engpassberuf anstreben. Dies wird bislang bei Beschäftigten in größeren Betrieben regelmäßig gefordert. Zudem fallen die Regelungen zur finanziellen Beteiligung der Arbeitgeber weniger kompliziert aus als früher. Diese Neuregelungen stoßen überwiegend auf Zustimmung von Vertreterinnen und Vertretern der Arbeitgeber- wie der Beschäftigtenseite und anderer Verbände. 

Qualifizierungsgeld: Diese neue, in der Höhe ans Kurzarbeitsgeld angelehnte Leistung können Beschäftigte in Betrieben erhalten, die vom Strukturwandel besonders betroffen sind. Voraussetzung ist, dass Arbeitgeber- und Beschäftigtenseite den Weiterbildungsbedarf in einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag gemeinsam konstatieren. Für Kleinstbetriebe ohne Beschäftigtenvertretung gelten Sonderregelungen. Je nach Betriebsgröße müssen wenigstens zwanzig Prozent beziehungsweise zehn Prozent der Beschäftigten Tätigkeiten nachgehen, die vom technischen Fortschritt bedroht sind. Ob das beantragte Qualifizierungsgeld am Ende bewilligt wird, entscheidet die Arbeitsagentur im Einzelfall.

Dies stößt sowohl bei Gewerkschaften auf Kritik als auch bei der Arbeitsagentur. Die einen fürchten, dass Vertreterinnen und Vertretern der Beschäftigten der Aufwand für den Abschluss entsprechender Vereinbarungen zu hoch sein könnte, wenn nicht klar ist, ob die beantragte Förderung am Ende tatsächlich genehmigt wird. Die anderen fragen, mit welchen Argumenten sie als Außenstehende Anträge ablehnen sollten, wenn sich Fachleute im Betrieb einig sind, vor welchen Herausforderungen die Firma oder die Branche steht. Daher hätte das Qualifizierungsgeld besser gleich als obligatorische Leistung eingeführt werden sollen. Sozialverbände formulieren noch einen anderen Einwand: Zumindest für Geringverdienende dürfte die Einkommenseinbuße während der Weiterbildungszeit schmerzhaft sein. Das Qualifizierungsgeld könnte sich daher als „Privileg für Besserverdienende“ erweisen, wie es der Internationale Bund formuliert. 

Weiterbildung bei Kurzarbeit: Die im Zuge der Corona-Pandemie ursprünglich befristet eingeführten Möglichkeiten, Kurzarbeit mit geförderter Weiterbildung zu verbinden, werden dauerhaft beibehalten. Damit besteht für Arbeitgeber ein Anreiz, Auftragsflauten für die Weiterbildung von Beschäftigten zu nutzen. Dieser Abschnitt des neuen Gesetzes zur Stärkung der Weiterbildung findet allgemeine Zustimmung. 

Ruhwedel und Simon fassen zusammen: „Ein Meilenstein in der Weiterentwicklung des Aus- und Weiterbildungsrechts“ sei die Verabschiedung des Gesetzes nicht. Insbesondere die Ausbildungsgarantie könne „ihr Versprechen nicht einlösen“, weil die Regelungen nicht so weit gingen, dass tatsächlich von einer Garantie gesprochen werden dürfe. Das Qualifizierungsgeld werde aufgrund seiner Ausgestaltung „voraussichtlich nur für größere Unternehmen interessant“ und sein Erfolg fraglich sein. Insgesamt stimme zwar die Richtung, doch im Einzelnen seien die Neuregelungen zu zaghaft ausgefallen.

Katharina Ruhwedel, Stephan Simon: Was bringt das Weiterbildungsgesetz?, Working Paper der HBS-Forschungsförderung Nr. 310, November 2023

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