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HBS Böckler Impuls

Altersvorsorge: Kein Crash, aber geringere Erträge

Ausgabe 19/2005

Finanzexperten sorgen sich um die Zukunft der kapitalgedeckten Altersvorsorge. Kommt es zu einem Rendite-Crash, wenn die geburtenstarken Jahrgänge ab 2020 in Rente gehen und womöglich massenhaft Häuser und andere Vermögenswerte verkaufen, weil die Rente nicht mehr reicht? Eine aktuelle Studie hält die Crash-Gefahr für gering - kluge Anlagestrategien vorausgesetzt.

Die staatliche Rente kann eine ausreichende Altersversorgung bald nicht mehr sichern. Die Deutschen müssen in Eigeninitiative mehr Kapital fürs Alter aufbauen.

Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung befürchten Finanzexperten ein drastisches Abschmelzen des fürs Alter gebildeten Kapitalvermögens in naher Zukunft. Diese "Asset-Meltdown"-Hypothese geht davon aus, dass die starke Generation der Babyboomer ab 2020 in Rente geht und dann ihre Vermögenswerte veräußert, um damit einen Teil des Alterskonsums zu finanzieren. Weil es dann viele Verkäufer, aufgrund des Bevölkerungsrückgangs aber weniger Käufer geben werde, so die Mutmaßung, falle der Preis von Aktien, Wertpapieren und Immobilien in den Keller. Die Eigenvorsorge ende damit in einem Desaster.

Dieses Horrorszenario wird wohl nicht eintreten, so das Fazit der Studie von Finanzexperten für die Hans-Böckler-Stiftung. Sie gibt aber auch zu bedenken: Vorhersagen sind nur schwer zu treffen, weil zwar die demografischen Trends prognostizierbar sind, nicht aber ihre Wirkung auf die komplexe Welt der Kapitalmärkte. Die Wissenschaftler unter Leitung von Professor Diether Döring haben den Stand der Forschung ausgewertet und ein facettenreiches Bild zusammengetragen. Trotz aller Unwägbarkeiten scheint klar: Mit der Verrentung der geburtenstärksten Jahrgänge dürfte eine Reihe von Problemen auf die Volkswirtschaft zukommen.

Das Wirtschaftswachstum wird sich verlangsamen. Die Arbeitskräfte werden knapper, Löhne steigen oder Arbeitsplätze werden ausgelagert, und das Kapitalangebot in Form von Sparvermögen geht zurück. Das Wachstum des Nettogeldvermögens könnte in Deutschland von 3,8 auf 2,4 Prozent jährlich sinken, prognostiziert etwa das McKinsey Global Institute. Wenn die Babyboomer in Rente gehen, werden unter Umständen nicht nur Arbeitskräfte fehlen. Auch der Bedarf an Kapital wird zunehmen. Fehlende Arbeit muss durch Kapital ersetzt werden, um das Produktionsniveau konstant zu halten. Ein Rückgang von Arbeitskräften könnte durch Investitionen in der Automatisierungstechnik ausgeglichen werden - hinreichend gut qualifizierte Beschäftigte vorausgesetzt.

Die Renditen für Kapitalanlagen werden sinken. Modellrechnungen gehen von einem Rückgang um circa einen Prozentpunkt bis 2035 aus. Zu einem drastischen Abschmelzen des Kapitalvermögens kommt es also voraussichtlich nicht. Da sich die Verrentung der Babyboomer über gut 15 Jahre hinziehen wird, verteilt sich ein möglicher Renditerückgang ebenfalls über einen langen Zeitraum und fällt nicht mehr so deutlich aus. Unklar ist, wie viele dieser Ruheständler ihre Vermögenswerte tatsächlich veräußern. Die klassische Lebenszyklus-Hypothese nimmt an, dass Rentner ihre Ersparnisse im Alter allmählich aufbrauchen. Doch derzeit jedenfalls sparen die Deutschen auch im Alter noch weiter und bilden Vermögen - wenn auch nicht mehr in der Größenordung wie in der Mitte ihres Lebens.

Anlagestrategien werden wichtiger: "Lege nicht alle Eier in einen Korb". Um das Risiko sinkender Rendite möglichst gering zu halten, raten die Finanzexperten, Vorsorgekapital zu streuen:

  1. das Vermögen auf verschiedene Typen zu verteilen, also etwa in festverzinsliche Wertpapiere, Aktien, Immobilien oder Private Equity/Venture Capital;
  2. Kapital vermehrt im Ausland anzulegen - und zwar nicht nur in der EU allein, sondern weltweit. Immerhin hat die übergroße Mehrheit der Weltbevölkerung auf absehbare Zeit keine Überalterungsprobleme.

Doch wo und wie können Arbeitnehmer ihr Altersgeld guten Gewissens anlegen? Wird bei den gewählten Kapitalanlagen ökonomisch gezielt und sozial verantwortlich investiert? In den USA etwa haben Rentenfonds aufgrund ihres immensen Vermögens einen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Einfluss, der längst auch schon unsoziale Effekte nach sich gezogen hat.

Rentenexperte Diether Döring: "Es ist notwendig, dass Tarifparteien und betriebliche Akteure möglichen Auswirkungen von Anlageentscheidungen Aufmerksamkeit schenken. Dies betrifft ebenso die Frage der zeitlichen Gestaltung von Engagements wie auch die Frage von Negativlisten für nicht wünschenswerte Investments."

  • Finanzexperten sorgen sich um die Zukunft der kapitalgedeckten Altersvorsorge. Kommt es zu einem Rendite-Crash, wenn die geburtenstarken Jahrgänge ab 2020 in Rente gehen und womöglich massenhaft Häuser und andere Vermögenswerte verkaufen, weil die Rente nicht mehr reicht? Eine aktuelle Studie hält die Crash-Gefahr für gering - kluge Anlagestrategien vorausgesetzt. Zur Grafik

Diether Döring, Rainer Buth: Stehen wir vor der Gefahr eines Asset-Meltdowns im Zuge der demographischen Entwicklung?, Studie im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung, 2005.

 

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