zurück
In der Pflege zählt vor allem der Mensch Böckler Impuls

Digitalisierung: In der Pflege zählt vor allem der Mensch

Ausgabe 15/2020

Bislang hat die Digitalisierung weder zu einer substanziellen Arbeitsentlastung noch zu höheren Verdiensten in der Krankenpflege beigetragen. Nötig wären vor allem mehr Fachkräfte.

In der Krankenpflege ist das Verhältnis zwischen Anforderungen und Lohn besonders unausgewogen: Weit überdurchschnittlichen körperlichen und seelischen Belastungen stehe ein Entgelt gegenüber, das im Schnitt inklusive Zuschlägen nur geringfügig über dem mittleren Lohn aller Beschäftigten liegt, schreibt Tom Heilmann. Der Soziologe vom Duisburger Institut Arbeit und Qualifikation hat untersucht, ob die Digitalisierung dazu beitragen kann, dieses Missverhältnis zu korrigieren. Dafür hat er Interviews mit Experten aus Betriebs- und Personalräten sowie dem Management verschiedener Krankenhäuser, einem Ausbildungszentrum und Gewerkschaften geführt.

In den Klinken habe der digitale Fortschritt unter anderem in Form von Telemonitoring – der automatischen Überwachung von Vitalwerten – und der elektronischen Patientenakte Einzug gehalten, so Heilmann. Dadurch habe sich vor allem die Verfügbarkeit von Informationen verbessert, was durchaus eine Entlastung darstelle. Gleichzeitig hätten aber auch die Dokumentationspflichten zugenommen, sodass die Zeitgewinne zumindest teilweise wieder „aufgefressen“ worden sind. Parallel dazu hätten sich neue Möglichkeiten der Überwachung durch die elektronische Dokumentation von Arbeitsschritten ergeben. Die befragten Experten sehen zudem die Gefahr, dass die Pflege im Zuge einer „Quasi-Taylorisierung“ immer kleinschrittiger und damit Qualifikation entwertet wird. Dass die Digitalisierung zu einer besseren Entlohnung geführt hat, konnte keiner der Interviewpartner bestätigen.

Als Erklärung verweist der Forscher auf die „verhältnismäßig geringe Relevanz“ der neuen Technologien in der Krankenpflege: Deren „Kern“ – die Interaktion zwischen Pflegenden und Patienten – lasse sich nicht durch Technik ersetzen. Deutliche Effizienzsteigerungen und damit zusätzliche Spielräume für Lohnerhöhungen seien daher nicht zu erwarten. Um die Situation tatsächlich zu verbessern, müsse vor allem der Fachkräfteengpass überwunden und die Arbeit unabhängig von der Digitalisierung besser bezahlt werden.

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrerm Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen